Blickwechsel
Österreich: Heilskirche auf der Müllhalde
Die goldenen Zeiten hat das Gasteinertal längst hinter sich. Zwischen 1500 und 1550 war die Blüte des Goldbergbaus in Gastein. Im Jahresdurchschnitt wurden zeitweilig 650 Kilogramm Gold und bis zu 2500 Kilogramm Silber abgebaut.
Von Willi Wild
Das gesamte Erz musste dem Landesherrn, dem Salzburger Erzbischof, abgeliefert werden. Mit den Goldknappen aus dem Erzgebirge und aus Franken kam reformatorisches Gedankengut ins goldene Tal. Bald interessierten sich auch die Bauern für den neuen Glauben.
Vor 500 Jahren bekannten sich die Protestanten erstmals in größerer Zahl zu ihrem Glauben; der Aufstand wurde niedergeschlagen und die Anführer mussten fliehen. Einer der ersten sogenannten Exulanten, also wegen ihres Glaubens vertriebene Protestanten, war Martin Lodinger. Er kam aus einer der bedeutendsten Gewerkendynastie. Auf Anraten Luthers, mit dem er im brieflichen Kontakt stand, wanderte er nach Nürnberg aus, weil er in Gastein das Abendmahl nicht in beiderlei Gestalt erhielt.
Von dort schreibt er Trostbriefe und Ermahnungen an seine Landsleute. Anfänglich werden die Protestanten im Gasteinertal noch verschont, da der Erzbischof das Gold braucht. Aber bereits 1615 werden 629 „Ketzer“ aus Gastein ausgewiesen. 100 Jahre später erreicht die Vertreibung durch Fürsterzbischof von Firmian in Gastein ihren Höhepunkt. 668 Protestanten müssen Gastein verlassen. 480 davon finden in Ostpreußen eine neue Heimat. Von der Vertreibung und dem inneren wie äußeren Glaubenskampf handelt das Theaterstück „Glaube und Heimat“ von Karl Schönherr.
Erst das Toleranzedikt Kaiser Josephs II. von 1781 ermöglicht der noch in Österreich verbliebenen Minderheit eine freiere Ausübung ihrer Religion. Aber da bekennt sich im Gasteinertal niemand mehr zum evangelischen Glauben.
Die Heilquellen der Gegend und die gesundheitsfördernde, schmerzlindernde Wirkung der Heilstollen sorgten um 1830 für das Einsetzen des modernen Kurbetriebs. Ab 1864 wurden für die evangelischen Kurgäste in Bad Gastein Gottesdienste angeboten. Kurz darauf entstand unter dem Patronat Kaiser Wilhelm I. die Christophoruskapelle.
Heute leben etwa 400 evangelische Christen im Gasteinertal, erzählt Ingrid Mohr. Die Psychologin ist Prädikantin und hält regelmäßig Gottesdienste in Bad Gastein und in Bad Hofgastein. Die Heilskirche in Bad Hofgastein konnte 1959 gebaut werden, nachdem die politische Gemeinde der evangelischen Kirchengemeinde ein Grundstück zur Wiedergutmachung der Verfolgung geschenkt hat. Dass es sich dabei um das Gelände einer aufgelassenen Mülldeponie gehandelt hat, wird der Gemeinde immer wieder vor Augen geführt, wenn der Untergrund arbeitet und dadurch Risse im Boden entstehen.
Die kleine Gemeinde hätte damals den Kirchbau nicht alleine stemmen können. Unterstützung gab es von fast allen deutschen Landeskirchen. Mit der Einweihung der Kirche am 25. Juni 1960 war zugleich die Verleihung des Status einer selbständigen Pfarrgemeinde an die Evangelischen in Gastein verbunden. Die Heilskirche soll das Gedenken an Martin Lodinger und die vertriebenen Protestanten aus Gastein zwischen 1525 und 1732 wachhalten.
Heute habe man ein gutes Verhältnis zu den katholischen Christen im Gasteinertal, so Ingrid Mohr. Beispielsweise könne man bei Beerdigungen die katholische Kirche nutzen. In den evangelischen Gottesdienst, der alle zwei Wochen in der Heilskirche gefeiert wird, kommen hauptsächlich Touristen und Kurgäste. Sie ist dankbar, sagt Mohr, für die Begegnung mit Christen aus unterschiedlichen Regionen und Prägungen.
Autor:Willi Wild |
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