Kolumbien
Wahrheitskommission ruft zur Versöhnung auf
Die kolumbianische Wahrheitskommission hat zu einem breiten Dialog zur Versöhnung aufgerufen. Mit ihrem Abschlussbericht lege sie das Fundament für Gerechtigkeit und Wiedergutmachung, sagte der Kommissionsvorsitzende Francisco de Roux Ende Juni in Bogotá.
Von Susann Kreutzmann
Der Bericht sei ein Zeugnis für einen jahrzehntelangen Konflikt, in dem 80 Prozent der Opfer Zivilisten waren. Mit dem Bericht wird den Opfern des Bürgerkriegs eine Stimme gegeben und ihr Leid anerkannt. Außerdem beinhaltet er zahlreiche Empfehlungen an die Politik.
«Es sind unbequeme Wahrheiten für uns alle», sagte de Roux. Der Konflikt habe zehn Millionen Opfer hinterlassen. Jetzt gebe es die Möglichkeit, zu einer gerechten und versöhnten Nation zu wachsen. Der anwesende gewählte Präsident Gustavo Petro verwies darauf, dass mehr als drei Generationen in Kolumbien Krieg erlebt hätten. «Dieser permanente Kreislauf der Gewalt muss durchtrennt werden», sagte er. Nur so könnten Schritte der Versöhnung gegangen werden.
Der Bericht der Wahrheitskommission bilde die Basis für ein friedliches Zusammenleben in der Zukunft. «Wir werden es Realität werden lassen», versprach Petro, der Anfang August vereidigt werden soll. Er wäre dann der erste Linkspolitiker im höchsten Staatsamt in der Geschichte Kolumbiens. Petro war in der Guerilla M-19 aktiv und wirkte an deren Umwandlung in eine politische Partei Anfang der 90er-Jahre mit. Der noch amtierende konservative Präsident Iván Duque blieb der Vorstellung des Abschlussberichts fern. «Die Wahrheit darf keine Voreingenommenheit, keine Ideologie und keine Vorurteile haben», erklärte er.
In zehn Kapiteln werden in dem Abschlussbericht schwerste Menschenrechtsverletzungen gegen verschiedene Gruppen wie Indigene, Frauen, Kinder, Afrokolumbianer, Bauern und Homosexuelle beschrieben. Für den Bericht führte die Wahrheitskommission in knapp vier Jahren mehr als 27 000 Interviews im ganzen Land. Mehr als 3000 Helfer unterstützten sie dabei. In «Treffen für die Wahrheit» kamen in ganz Kolumbien Zeugen und Opfer zusammen und berichteten über Vertreibung, Folter, Mord und Entführungen. Oftmals standen sich dabei erstmals Täter und Opfer gegenüber.
Die Kommission habe zuallererst den Opfern zugehört, sagte de Roux. Sie sei tief erschüttert über deren Schilderungen, wie Tausende Kinder in den Krieg verschleppt wurden, von der Suche nach Vermissten, von Massengräbern, den Tausenden von misshandelten und gedemütigten Frauen, Massakern in Dörfern. «Wir bitten darum, die Geschichte kritisch zu betrachten und die Erinnerung an das Leid einzubeziehen, um ein ›Nie wieder‹ zu ermöglichen», sagte de Roux.
Die Kommission erarbeitete auch zahlreiche Vorschläge an die Politik und schlug unter anderem eine neue Form der Drogenbekämpfung vor, die nicht die Kleinbauern treffe, sondern Drogenbanden und Geldwäscher. Die noch aktive Guerilla ELN forderte sie auf, zur Deeskalation des Konflikts beizutragen und humanitäre Organisationen in ihr Gebiet zu lassen. Die Regierung solle ihrerseits in Verhandlungen um ein Ende der Gewalt ringen. Außerdem schlägt die Wahrheitskommission eine Agrarreform und ein Ministerium für Frieden und Versöhnung vor, das über den Friedensprozess wachen soll.
Die Einrichtung einer Wahrheitskommission war 2016 in dem zwischen der Farc-Guerilla und der Regierung unter dem damaligen Präsidenten Juan Manuel Santos geschlossenen Friedensvertrag vereinbart worden. Bei dem seit mehr als 50 Jahren andauernden Bürgerkrieg in Kolumbien zwischen staatlichen Kräften, linken Guerillagruppen und rechten Paramilitärs waren mehr als 260 000 Menschen getötet worden, etwa sieben Millionen wurden vertrieben. Rund 80 000 Kolumbianer gelten als vermisst.
(epd)
Autor:Online-Redaktion |
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