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Erinnert: Ernesto Cardenal
Zeichen für Reich Gottes mitten in der Welt

Ernesto Cardenal Martínez | Foto: epd-bild/Uwe Möller
  • Ernesto Cardenal Martínez
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Der nicaraguanische Geistliche Ernesto Cardenal verstarb am 1. März im Alter von 95 Jahren. Er war Dichter, Priester und Kulturminister und vertrat die Befreiungstheologie. Wegen seines politischen Einsatzes hatte ihn Papst Johannes Paul II. 1985 vom Priesteramt suspendiert, Papst Franziskus hob erst 2019 die Sanktionen auf.

Von Oberkirchenrat i. R. Peter Zimmermann, Erfurt

Die schwarze Baskenmütze war schon damals sein Markenzeichen, als er mit baumelnden Beinen und nackten Füßen auf der Ecke seines Schreibtisches saß und von einem knittrigen Zettel das Gedicht eines 15-Jährigen vorlas, dessen Eltern in der Revolution umgekommen waren. „Er will nicht, dass die Mörder seiner Eltern hingerichtet werden“ – damit reagierte er auf meine Frage nach dem „neuen Menschen“, von dem im sandinistischen Nicaragua so viel die Rede war. Er war wütend über meine Skepsis – und ich konnte seinen Ärger sogar verstehen. Ich hatte doch die Frauen der Basisgemeinde im Barrio Monsenor Lezcano in Managua erlebt, die gerade Lesen und Schreiben in den Alphabetisierungskampagnen gelernt hatten, die er als Kulturminister und sein Bruder als Erziehungsminister in Gang gesetzt hatten. Jetzt saßen die Frauen im großen Stuhlkreis und lasen sich Vers für Vers den Lobgesang der Maria vor und bewegten die Worte hin und her. Und verstanden, dass Marias Gott auch ihr Gott ist, der die Gewaltigen vom Thron stößt und die Niedrigen erhöht, der die Hungrigen mit Gütern füllt und die Reichen ignoriert. Sie erlebten sich als Zeugen und Beteiligte des gewaltigen Handelns Gottes. Das war in der Tat neu für sie.

Und wie es die Bauern von Solentiname erlebten, mit denen zusammen er dem Evangelium poetische und politische Konkretionen und Aktualisierungen abgewann und sie die subversive Kraft des Evangeliums erfuhren, die Menschen und Verhältnisse verändert und befreit.

Und wie es die Waisenkinder der Revolution erfuhren. Der Minister, Priester und Poet hatte es durchgesetzt, auf der riesigen Finca des früheren Polizeichefs die „Kinderrepublik Pedro Mayorga“ einzurichten. Da hatten sie Brot und Bildung und die Pflicht zur Selbstverwaltung. Neben allem anderen lernten sie Gedichte zu schreiben, Theaterstücke aufzuführen und ihr Zusammenleben so zu organisieren, dass die Starken und die Schwachen sich gegenseitig halfen, das Leben zu bestehen. Das sollte das Lehrstück für das ganze Land sein.

Es nährt unseren Glauben und unsere Hoffnung, wenn wir Anzeichen des Reiches Gottes mitten in unserer Welt erleben. Die bibellesenden und -verstehenden Frauen in Managua und die kreativen Bauern auf den Inseln im Nicaragua-See und der Halbwüchsige aus der Kinderrepublik, der keine Rache für die getöteten Eltern will – sie sind Anzeichen dafür, dass das Reich Gottes in dieser Welt am Werke ist.

Wir danken Gott für Ernesto Cardenal, der solche Anzeichen für uns sichtbar und erfahrbar gemacht hat.
R.  i.  P. – alter Freund und Bruder

Autor:

Online-Redaktion

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