Predigttext
Anders als erwartet
Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde.
Johannes 12, Vers 23
Die Jünger sind ganz aus dem Häuschen. Der Empfang Jesu in Jerusalem ist überwältigend. Eine große Menge begrüßt Jesus als neuen König von Israel. Nun endlich wird Jesus die Herrschaft an sich reißen. Zusammen werden sie ein Königreich voller Gerechtigkeit und Wahrheit aufrichten. Endlich wird alles gut!
Und Jesus bestätigt seine Jünger scheinbar in ihren kühnen Erwartungen. Er sagt: „Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde.“ Herrschaft und Größe soll also an Jesus sichtbar werden. Seine Stunde ist da.
Was Jesus aber dann sagt, dürfte seinen Begleitern die Sprache verschlagen haben. „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ Offen und frei sagt Jesus, wie es enden wird: Nicht der Königsthron wartet auf ihn, sondern das Kreuz. Er wird sterben. Seine Verherrlichung hat mit Herrschaft und Herrlichkeit, wie die Jünger sie erhoffen, nichts gemein.
Wie geht es uns, wenn unsere Erwartungen wie Seifenblasen zerplatzen? Wenn Dinge aus den Händen gleiten? Wenn das Körnchen Hoffnung, an das wir uns geklammert haben, „in die Erde fällt und erstirbt“? Vieles in diesen Tagen wirkt auf uns wie „erstorben“. Auch die Gemeindearbeit steht still. Werden sich Bindungen dadurch langfristig lösen? Wie soll es etwa gelingen, die Konfirmandinnen und Konfirmanden einzubinden, wenn der direkte persönliche Kontakt so lange ruht?
Der Blick auf Jesus beruhigt mich bei den aktuellen Sorgen nicht unbedingt. Aber er zeigt mir, dass noch nicht abgemacht ist, wie Gott in dieser Situation wirken wird. Jesus beschreibt seinen Tod ja nicht als Verherrlichung, als würde er am Kreuz das Zepter in der Hand behalten. Das tut er nicht, doch sein Vater wird an ihm handeln. Gottes Herrlichkeit wird erlebbar werden, wenn nach der Katastrophe von Golgatha das Licht des Ostermorgens anbricht und Jesus zu neuem Leben aufersteht.
Verherrlicht werden – das ist ein passiver Ausdruck. Er hat etwas mit Vertrauen zu tun – und mit Hoffnung. An der halten wir fest. Aus scheinbar toten Weizenkörnern kann neues Leben entstehen. Auch heute.
Torsten Reiprich, Pfarrer in Pegau
Autor:Online-Redaktion |
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