Predigttext
Die anderen sind auch gut
Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts. Epheser 5, Vers 8
Christliches Leben hebt sich radikal ab von allem, was vorher war. Das ist Missionssprache der frühchristlichen Zeit, die sich durch die Jahrhunderte fortgesetzt hat. Ein vorheriges Leben ohne Gott oder in einer anderen Religion, das ist Finsternis und steht unter Gottes Zorn. Die Zeilen des Predigttextes, die das breit ausführen, sind neuerdings eingeklammert und dürfen weggelassen werden.
Auf Schritt und Tritt begegnet in den Apostelbriefen dieses Muster. Wird christliches Dasein dadurch besser und attraktiver, dass es alles andere radikal abwertet? War mein Leben, bevor ich Christ wurde, wirklich nichtig, und haben nicht auch viele allgemein menschliche Tugenden ihren Wert vor Gott? „Ja“, hört man oft, „das sind doch nur ethische Anleihen aus der Religion“. Das ist „bloß Ethik“, denn ohne den Glauben führt das ins Nichts.
So weit, so gut. Aber was ist, wenn Menschen nie Kontakt zur Religion hatten, oder sie ihnen nicht glaubwürdig nahe gebracht wurde? Vielleicht haben sie in der Bibel gelesen, aber es hat nicht gezündet: zu fremd, zu abstrakt. Wer will Menschen absprechen, dass sie sich ehrlich und aus lauterem Antrieb darum bemühen, „to make the world a better place“, also die Welt zu einem besseren Ort zu machen, wie es junge Leute heute ausdrücken? Sie tun das selbstlos, sozial und im Wunsch für eine Zukunft auf diesem geschundenen Planeten. „Gutmenschentum“ heißt dann das Unwort, das selbst im kirchlichen Raum kursiert.
Der katholische Theologe Karl Rahner sprach von „anonymem Christentum“ bei Menschen, die den Glauben nicht erfahren haben, aber zutiefst christliche Werte leben. Sie sind „nicht fern vom Reiche Gottes“, denn auch sie wissen um „Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit“, wie es in Vers 9 heißt. Nichts anderes hat Jesus gesagt und nicht nur gesagt, sondern auch gelebt. „Was ihr getan habt …“ – darauf kommt es doch letztlich an!
Es gibt eine kleine Episode von Gandhi, der als Hindu mit Jesus sehr vertraut war. Ein katholischer Priester bezeugte ihm einmal wort-reich, dass im Garten der Religionen das Christentum die schönste und edelste Blume sei. Gandhi antwortete: „Na, dann duften Sie mal!“ Tun wir das und überlassen Gott den Rest.
Ulrich Seidel, Pfarrer i. R. aus Markkleeberg
Autor:Online-Redaktion |
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