Nicht zu verstehen
Predigttext Erbarmt euch über mich …
denn die Hand Gottes hat mich getroffen!
Hiob 19, Vers 21
Was habe ich Gott getan, dass er mir so mitspielt?“ fragte die Frau mit traurigen, hellen Augen im Krankenhaus … Einige Jahre liegt diese Begegnung zurück. Ich war damals noch Vikar und unschlüssig, was ich darauf antworten sollte.
„Was habe ich Gott getan, dass er mir so mitspielt?" – Das ist die uralte Hiobsfrage in der Bibel: Alles hat Hiob verloren. Seine Kinder, seinen Besitz, seine Gesundheit. Seine Freunde sind gekommen, um zu trösten und mit ihm zu trauern. Aber dann beginnen sie, Hiobs Leid zu deuten. Sie suchen eine Erklärung, warum ihm Gott so mitspiele. Ohne Grund werde das nicht sein. Hiob selbst habe sich wohl einiges zuschulden kommen lassen, wenn es ihn so hart treffe.
Doch Hiob bleibt dabei: Dieses Leid ist sinnlos. Dieses Leid ist nicht zu verstehen, nicht einzuordnen und schon gar nicht verdient. Die Erklärungsversuche der Freunde helfen ihm nicht. Sie machen alles nur schlimmer: Sie machen Hiob in seinem Leid einsam!
Hiob klagt. Er klagt Gott an. Macht ihn verantwortlich. Für mich ist das schwer zu hören, aber ich beginne auch zu begreifen: So hält Hiob auch an Gott fest. Er ringt mit ihm. Lässt ihn nicht los. Auch das gehört zum Glauben. In der Bibel finden sich auch Menschen, die Gott anklagen. Die mit ihrer Anklage aber dennoch an Gott festhalten. Bis hin zu Jesus am Kreuz: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Schließlich zeigt sich in Hiobs Anklage ein zaghaftes Vertrauen. „Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben.“ So bekennt er: „Ich selbst werde ihn sehen … Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.“ Das ist – im Gegensatz zum Jammern – wohl die Stärke der Klage. Sie rechnet mit Gott als Gegenüber. Damit bleibt sie aber nie einsam und nie ganz ohne Hoffnung!
Die Frau im Krankenhaus schaut mich immer noch fordernd an. Erwartet meine Antwort. „Ich weiß es nicht“ sage ich schließlich, „ich verstehe da Gott auch nicht.“ „Nun“ sagt sie nach einer Weile, „immerhin gibt mir Gott die Kraft, das alles irgendwie durchzustehen.“ Und für einen Moment leuchtet etwas Friedvolles in ihren Augen auf.
Torsten Reiprich, Pfarrer in Pegau
Autor:Online-Redaktion |
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