Wort zur Woche
Von Jopie, Äpfeln und einer großen Verheißung
Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist, dem Volk das er zum Erbe erwählt hat.
Psalm 33, Vers 12
Dieses Verheißungswort gilt nicht uns; nicht unserem Volk und auch nicht uns Christen. Angesprochen ist das jüdische Volk. Wohl diesem Volk! Glückselig soll und wird dieses Volk sein, weil Gott es auserwählt hat!
Von Ulrike Becker
Doch wann wird es endlich so sein? Im Schatten des furchtbaren Terrors vom 7. Oktober und dessen Folgen ergreifen mich Entsetzen und Scham. Jüdinnen und Juden müssen wieder in Angst leben, auch bei uns. Das ist in keiner Weise hinnehmbar.
Im Buch „Sternkinder“ erzählt Clara Asscher-Pinkhof, eine niederländisch-jüdische Autorin (1896–1984), in einer ihrer Geschichten von einem jüdischen Jungen im von den Nazis besetzten Holland. Weil er so klein war, wurde er von seiner Mutter losgeschickt, um für den Geburtstagskuchen des Vaters Äpfel zu kaufen. Es war verboten, Juden etwas zu verkaufen. Jopie war acht Jahre alt und blond. Er würde als fünf durchgehen. Mit fünf brauchte er keinen Judenstern tragen und würde nicht auffallen, meinte seine Mutter. Sie schärfte ihm ein, dass er sein wahres Alter oder seinen Namen nicht sagen dürfe. Falls man ihn frage, solle er seinen Nachnamen sagen: De Jong. Und dann passierte es. Die freundliche Verkäuferin fragte ihn. Auf seine Antwort hin lachte sie und sagte: „Nein, ich meine doch deinen Vornamen!“ Damit hatte er nicht gerechnet, und weil er sich nicht sicher war, ob sein Vorname auf seine jüdische Herkunft hinweisen würde, zögerte er. „Na, verrat es nur!“, forderte die Frau ihn lächelnd auf. Und Jopie antwortete heiser aber hörbar: „Jesus“.
Was für eine Antwort! Hatte er sich nun verraten? Das bleibt offen in der Geschichte. Doch wie wahr diese Antwort ist! Jesus war Jude. Er ist Teil dieses Volkes und Gottes Sohn, an den wir glauben. Wir dürfen geschwisterlich als Gottes Kinder mit ihnen verbunden sein. Eine große Verheißung ist das auch für uns. Wie kann es da anders sein, als dass wir an der Seite dieser Menschen stehen und jeglicher Form des Antisemitismus lautstark und eindringlich entgegentreten.
Die Autorin ist Pfarrerin in Hildburghausen.
Autor:Online-Redaktion |
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