Folge 38 – 1994 und 1995 (2)
Ein heikles Thema: Kirchenasyl

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Zelte in der Jenaer Stadtkirche zeigt das Titelbild von "Glaube und Heimat" vom September 1994. Armenische Flüchtlingsfamilien harren dort aus, weil sie von Abschiebung bedroht sind. Auch in anderen Städten öffnen Kirchen ihre Türen für Flüchtlinge: zum Beispiel Gera oder Altenburg.
Von Dietlind Steinhöfel
Kirchenasyl – nicht erst im Herbst ist davon die Rede. Schon im Frühjahr jenes Jahres befasst sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mit dem Problem, da von Seiten der Bundesregierung Einspruch kommt. "Ein Sonder-Kirchen-Asylrecht besteht nicht", äußert der damalige Bundesinnenminister Manfred Kanther gegenüber der Presse.
Die Ausländerbeauftragte der Thüringer Kirche, Ines Stephanowsky, hält dagegen: "Kirchenasyl ist zuerst eine Glaubens- und Gewissensentscheidung, daß wir es nicht zulassen können, wenn Menschen in lebensbedrohliche Situationen abgeschoben werden." Es sei jedoch nur die letzte Möglichkeit.
Immer wieder wird über den andauernden Krieg in Bosnien-Herzegowina berichtet. Der Bundesinnenminister will keine bosnischen Flüchtlinge mehr aufnehmen, ist im August 1995 in "Glaube und Heimat" zu lesen. Doch der Vorstoß stößt auf breite Ablehnung. So wird die Thüringer Ministerin Christine Lieberknecht zitiert: "Dem Trauerspiel, daß sich die Kriegsparteien nicht einigen könne, sollten wir nicht das Trauerspiel anfügen, uns hier in Deutschland nicht auf dringend notwendige humanitäre Hilfe einigen zu können."
Zum Thema Umwelt veröffentlicht die EKD am 15. März eine Studie zur drohenden Klimakatastrophe und fordert die Parteien auf, "drastische Maßnahmen" dagegen zu ergreifen. Einschneidende Veränderungen des Lebensstils und "unpopuläre Empfehlungen" seien dringend nötig.
Die Thüringer Kirche ernennt am 1. August 1995 Pfarrer Ralf-Uwe Beck zum Umweltbeauftragten. In einem Interview mit der Kirchenzeitung spricht er unter anderem über seine Unterstützung von Kirchengemeinden, zum Beispiel wenn sich Gemeinden bei Großprojekten wie der Thüringer Waldautobahn einbringen wollen. An anderer Stelle berichtet "Glaube und Heimat" von Protesten gegen dieses Bauvorhaben.
Eine positive Nachricht in Sachen Umwelt: Ein seit dem Mauerfall von 400 Naturschützern aus Ost und West gefordertes Naturschutzgebiet entlang der ehemaligen Grenze wird 1995 Realität: Als "Das Grüne Band" soll es erhalten werden.
Auch das Thema Organspende und Organtransplantation beschäftigt die Menschen. Im Oktober 1995 diskutiert die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Ärzte auf ihrer Tagung hierüber und betont, wie notwendig Organspenden seien. Allerdings dürfe die Kirche keine Empfehlung abgeben. Die Bereitschaft zur Spende müsse freiwillig sein.
Fundstücke
Bilanz: Das Jahr 1993 war das UN-Jahr für indigene Völker. Es habe, so ist 1994 in der Kirchenzeitung zu lesen, den Ureinwohnern kaum etwas gebracht. Der Brasilianer Joao Satere sagt: "Es gab noch mehr Massaker, noch mehr barbarische Morde an den Ureinwohnern."
Waffenexporte: Die evangelische Kirche sowie Friedens- und Dritte-Welt-Gruppen wenden sich gegen Erleichterung von Waffenexporten. In der Bundesrepublik steigen laut Kirchenzeitung diese Exporte im Jahr 1995, wogegen sie in anderen Ländern sinken.
50 Jahre Kriegsende: Das Gedenken zum Ende des Zweiten Weltkrieges nimmt im Jahrgang 1995 einen breiten Raum ein. Unter anderem wird des Atombombenabwurfs auf Hiroshima und Nagasaki gedacht oder über die Befreiung von Konzentrationslagern berichtet. Im Oktober wird an 50 Jahre "Stuttgarter Schuldbekenntnis" erinnert.
Ermordet: 1995 wird der israelische Ministerpräsident Yitzak Rabin von einem militanten orthodoxen Juden ermordet. Er hatte als erster israelischer Politiker dem Palästinenserführer Jassir Arafat die Hand gereicht und einen Friedensprozess zwischen beiden Völkern angestrebt.
Autor:Online-Redaktion |
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