Folge 8 – 1936 und 1937
Kirchenspaltung und "Volksgesundheit"
Die Bitte darum, dass sich die Gläubigen in der evangelischen Kirche "in Frieden zusammenfinden" steht mit ähnlichen Worten jeweils im Neujahrswort des Landesbischofs der Jahre 1936 und 1937.
Von Dietlind Steinhöfel
Die Kirchenspaltung (Deutsche Christen, Bekennende Kirche) beschäftigt nicht nur die Kirchenleitung. Der "Führer" schaltet sich ein und fordert 1937 in einem Erlass, die Kirche solle in einer Urwahl zu einer Generalsynode die Einheit wiederherstellen.
"Glaube und Heimat" zitiert zu diesem Thema das Berliner Tageblatt: "Den streitenden Gruppen ist nunmehr ein Nachweis möglich, bei wem die Bevölkerung steht." Die Zulassung zur kirchlichen Urwahl zeige, wie ehrlich es der Staat meint, damit die Kirche ihre Aufgaben selbstständig lösen könne. Der Staat leiste so der Kirche den "letzten Hilfsdienst", so der "Völkische Beobachter".
Immer wieder ist vom "positiven Christentum" die Rede, das sich "positiv zum Nationalsozialismus und den völkischen Werten" verhält. Die Kirchenzeitung zitiert aus dem Parteiprogramm der NSDAP, das die "Freiheit aller religiösen Bekenntnisse" gewährleiste, soweit sie nicht "gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstoße (…), sie bekämpft den jüdisch-materialistischen Geist".
Über die "Maßnahmen zur Volksgesundheit" wurde schon in früheren Ausgaben berichtet. Umso mehr lässt ein dreiteiliger, ausführlicher Beitrag von 1936 von Pastor Friedrich Behr, Direktor des Marienstiftes Arnstadt, aufhorchen. "Unsere Verantwortung gegenüber dem Krüppeltum" ist die erste Folge überschrieben.
Behr erläutert, dass 80 Prozent dieser Menschen (Krüppel im damaligen Sprachgebrauch) nicht von Geburt "Krüppel" seien, sondern durch Kinderlähmung, Rachitis, Kopfgrippe, Verkehrsunfälle und ähnliches ihre Behinderung hätten.
Im 19. Jahrhundert seien solche Kinder betteln geschickt worden. Die neue Sicht der Inneren Mission sei jedoch nicht "wir erhalten dich", sondern, "du musst die Kräfte deines Geistes und Körpers, die dir verblieben sind, einsetzen zum Dienst am Volk". Mit Bildung und Erziehung können sie ins tägliche Leben nach "Maß ihrer Kräfte" geführt werden. Man solle das Positive sehen, nicht das Kranke, und "jenes zur Entfaltung" bringen.
Mit einem anderen Ton greift die Reichstagung der Inneren Mission das Thema auf und wehrt sich, so ist es dem Kirchenzeitungsbericht zu entnehmen, gegen den Vorwurf, dass sie nichts zur "Verhütung erbranken Nachwuchses" getan habe. Es habe ja, so lautete die Argumentation, bisher für diese Menschen die Gemeinschaft in ihren Anstalten mit dem Verzicht auf die Ehe gegeben.
"In dem Augenblick, in dem die gegenwärtige Staatsführung dieses schwierige Problem in Angriff nahm, hat sie uns an ihrer Seite." Die Maßnahmen, wie etwa die Zwangssterilisation, die 1933 per Gesetz geregelt wurde, werden nicht konkret benannt.
Fundstücke
Olympia 1936: Die Kirche begrüßt die Spiele und bildet einen Evangelischen Olymiaausschuss, um Sportler und Gäste seelsorgerlich zu betreuen.
Ökumene: 1937 kamen Vertreter aus mehr als 100 Kirchen in Oxford zusammen, um über die Bildung eines ökumenischen Rates zu sprechen. Die 4. Reichstagung der Deutschen Christen in Eisenach lehnte den "Vatikan in Oxford" ab. Die Begründung: Dem DC ginge es um den "christlichen Glauben des deutschen Volkes" und nicht "um ein christlich verbrämtes Weltschwärmertum".
Schiefer Turm: "Der schiefe Turm der Oberkirche zu Bad Frankenhausen ist gesichert" – so titelt "Glaube und Heimat" 1937 im August. Jahrzehntelang habe man sich darum bemüht und sogar eine Münze mit dem Turm herausgegeben, auf der stand: "Hilfe, ich stürze!"
Autor:Online-Redaktion |
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