Folge 41 – 1999 und 2000
Reden über Gott und die Welt
Es ist der große Aufreger gleich zu Beginn des Weimarer Kulturstadtjahres 1999. Einer der Beiträge der evangelischen Kirche hierzu sind die "Reden über Gott und die Welt".
Von Dietlind Steinhöfel
Die Evangelische Akademie Neudietendorf und die Kirchengemeinde Weimar planen, 52 prominente Gastprediger aus Kultur, Politik und Gesellschaft zu Gottesdiensten in verschiedene Kirchen einzuladen. Die einen sehen darin eine Bereicherung und Erfrischung, die anderen sind entsetzt, auch Nichtchristen auf der Kanzel zu sehen. Vor allem ein Politiker, der in Weimar reden soll, polarisiert die Diskussion: Gregor Gysi. Schließlich greift die Landeskirche ein und will die Reihe stoppen. Die Prominentenreden könnten nicht anstelle der Predigt gehalten werden. Doch es regt sich Widerstand. Ein Kompromiss wird im Februar gefunden: Im Anschluss an einen liturgischen Gottesdienst ohne Predigt können die Redner ihre Gedanken über den Predigttext vortragen.
"Jetzt wird es ernst", titelt die Kirchenzeitung nach der Thüringer Herbstsynode 1999. Eine klare Mehrheit der Synodalen stimmte für Verhandlungen zwischen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Thüringen und der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (KPS). Ziel ist eine Föderation. "Anscheinend ist das Bewusstsein gewachsen, dass wir es uns nicht leisten können, allein zu bleiben", äußerst sich ein Synodaler. Auch die KPS-Synode votiert dafür. Dass es auch unter Lesern ablehnende Stimmen gibt, liegt in der Natur der Sache. Denn der "Teufel steckt im Detail", meint auch "Glaube und Heimat".
Ein Jahr später ist es geschafft: Im Jahr 2000 stimmen die Herbstsynoden beider Kirchen für die Kooperation: 88 Prozent in Magdeburg, 66 Prozent in Thüringen. Am 5. Dezember wird der Vertrag unterschrieben.
Unterschriftsreif ist 1999 nach Jahren zäher Verhandlungen auch das gemeinsame Dokument zur Rechtfertigungslehre. Am Reformationstag unterzeichnen Vertreter des Vatikans und des Lutherischen Weltbundes die Erklärung. Die seit 450 Jahren anhaltende Trennung im zentralen Punkt der Rechtfertigung soll damit aufgehoben werden. Allerdings empört im September 2000 die katholische Erklärung "Dominus Jesus" die evangelische Kirche und wird als Zeichen des erneuten Rückschritts bewertet. Rom betont darin noch einmal, dass die katholische Kirche die "einzige Kirche Christi" sei.
Ein global relevantes Thema ist die Initiative "Erlassjahr 2000". Organisationen, Verbände und Kirchen aus ganz Deutschland fordern eine Entschuldung der ärmsten Länder. 1999 sind große Kampagnen geplant, wie zum Beispiel am 19. Juni eine Menschenkette. Den erhofften Durchbruch gibt es nicht, ist im Juli 2000 in der Kirchenzeitung zu lesen. Auch wenn auf einem Gipfeltreffen von sieben führenden Industrienationen beschlossen wird, neun Ländern Schulden in Höhe von 15 Milliarden Mark zu erlassen.
Fundstücke
Kein Frieden: "Ein friedliches Jahr (…) wird es für viele Menschen nicht geben", schreibt die Kirchenzeitung in der Nummer 1/1999. Die Bombardierung des Iraks im Dezember 1998 durch die USA wird von Kirchen und Friedensgruppen verurteilt. Ebenso der Militäreinsatz deutscher Soldaten im Kosovo.
Jubiläum: Im Jahr 1999 wird Katharina von Bora anlässlich ihres 500. Geburtstages gewürdigt.
Sonntag: "Lasst den Sonntag in Ruhe" – eine Unterschriftenaktion soll verhindern, dass Geschäfte generell sonntags öffnen können. Allein bei der G+H-Aktion kommen mehr als 36 000 Unterschriften zusammen. Die zentnerschwere Petition mit 456 272 Voten aus ganz Deutschland wird im Dezember 1999 an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse übergeben – mit Erfolg.
Neuer Landesbischof: Im Herbst 2000 wählt Thüringen einen neuen Landesbischof. Der Leipziger Professor für Neues Testament, Christoph Kähler, erhält gleich im ersten Wahlgang die notwendige Mehrheit.
Autor:Online-Redaktion |
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