Blickwechsel
"Kriminalisierung des Kirchenasyls"
Der Staatsanwalt am anderen Ende der Telefonleitung senkt die Stimme. «Fragen Sie doch mal bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg nach», sagt er. Es geht um Kirchenasyle und die Frage, ob Staatsanwaltschaften in Bayern unterschiedlich gegen Kirchenasyle vorgehen? Vor allem im Norden Bayerns laufen derzeit einige Verfahren gegen Menschen, die Schutzsuchenden Kirchenasyl gewährt haben.
Von Daniel Staffen-Quandt
Zuletzt hatten die Fälle einer Oberzeller Franziskanerin aus der Nähe von Würzburg und eines Benediktinermönchs aus Münsterschwarzach bei Kitzingen bundesweit Schlagzeilen gemacht. Der Mönch wurde in erster Instanz freigesprochen, die Ordensfrau verurteilt – in beiden Fällen legte die Staatsanwaltschaft Würzburg Rechtsmittel ein.
Kirchengemeinden gewähren abgelehnten Asylbewerbern meistens dann Schutz, wenn sie der Auffassung sind, dass es sich um einen Härtefall handelt. Sie bitten die Behörden damit, die Entscheidung erneut zu prüfen. Das Kirchenasyl ist in Deutschland ein Streitthema zwischen Politik, Kirchen und zuständigen Behörden. Nur in seltenen Fällen ist ein Kirchenasyl erfolgreich: 2020 waren es acht von mehr als 300 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gemeldeten Kirchenasylen.
Bei allen Diskussionen gerät oft in den Hintergrund, dass es ein Randphänomen ist: Die Bundesarbeitsgemeinschaft «Asyl in der Kirche» weiß derzeit bundesweit von 316 aktiven Kirchenasylen, laut BAMF sind es 337. 46 Fälle gibt es in Bayern. Die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg ist für den Norden Bayerns zuständig. Und genau dort, sagt der Staatanwalt am Telefon, der lieber nicht namentlich genannt werden will, habe der Behördenleiter eine besonders restriktive Linie beim Thema Kirchen-asyl vorgegeben. Der Bamberger Behördensprecher, Oberstaatsanwalt Thomas Goger, weist das zurück. Die Häufung sei zufällig.
Der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg springt seinen Kollegen in Bamberg bei: Es gebe keine Anweisung aus dem Justizministerium, wie mit Kirchenasylen umzugehen sei, sagt er. Aber es gebe eine Übereinkunft zu diesem Thema zwischen den drei Generalstaatsanwaltschaften, damit es im ganzen Freistaat ein einheitliches Vorgehen gibt: «Von dieser rückt auch niemand ab.» Öffentlich zugänglich ist die Übereinkunft allerdings nicht.
Mitarbeiter aus der Flüchtlingshilfe und Juristen, die regelmäßig Menschen vertreten, die wegen der Gewährung von Kirchenasyl Probleme mit der Justiz bekommen, finden es zumindest sonderbar, dass vor allen Dingen die Staatsanwaltschaften von Aschaffenburg bis Hof beim Thema Kirchenasyl so aktiv sind: Sie stellen Strafbefehle aus, manchmal kommt es zu Gerichtsverfahren. Enden die mit Freisprüchen, gehen die Anklagebehörden regelmäßig in die nächste Instanz. In den anderen 15 Bundesländern gibt es nach Einschätzung des Bayerischen Flüchtlingsrates kaum Strafbefehle oder gar Anklagen gegen Menschen, die Kirchenasyle gewähren. Man beobachte, dass sich das Anklage-Geschehen größtenteils auf Nordbayern begrenze, sagt Flüchtlingsratssprecher Alexander Thal: «Die Staatsanwaltschaften betreiben in Bayern konsequent die Kriminalisierung des Kirchenasyls.»
Anwalt Franz Bethäuser, der den freigesprochenen Benediktinermönch vertritt, sagt: «Es muss ja keine Weisung geben – es kann ja auch eine politische Erwartungshaltung sein, die von den Staatsanwaltschaften erfüllt wird.» Generell stört er sich daran, dass die Kirchenasyl-Problematik auf dem Rücken von Polizei und Staatsanwaltschaft ausgetragen wird: «Letzten Endes braucht es eine politische Lösung.»
(epd)
Autor:Online-Redaktion |
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