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Jahrestag: Genozids an den Jesiden
"Schmerz groß in der Gemeinschaft"

Vor zehn Jahren ermordeten und vertrieben IS-Kämpfer Tausende Jesiden aus ihrer Heimat im Nordirak. Am Wochenende gedachten Vertreter der Gemeinschaft und der Zivilgesellschaft des Völkermords in der Paulskirche in Frankfurt am Main. Anwesend waren auch ezidische Frauen in traditionellen Gewändern. | Foto: Tim Wegner/epd-bild
  • Vor zehn Jahren ermordeten und vertrieben IS-Kämpfer Tausende Jesiden aus ihrer Heimat im Nordirak. Am Wochenende gedachten Vertreter der Gemeinschaft und der Zivilgesellschaft des Völkermords in der Paulskirche in Frankfurt am Main. Anwesend waren auch ezidische Frauen in traditionellen Gewändern.
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Vor zehn Jahren ermordeten und vertrieben IS-Kämpfer Tausende Jesiden aus ihrer Heimat im Nordirak. Am Wochenende gedachten Vertreter der Gemeinschaft und der Zivilgesellschaft des Völkermords. Eine Rückkehr in die Heimat ist bis heute nicht möglich.

Frankfurt a.M. (epd). Zum zehnten Jahrestag des Genozids an den Jesiden haben die Vereinten Nationen und die Europäische Union zur internationalen Zusammenarbeit aufgerufen, um die Situation der Jesiden zu verbessern. Die Verantwortlichen für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, heißt es in Erklärungen der beiden Organisationen, die am Samstag veröffentlicht wurden.

Die jesidische Gemeinschaft im Irak stehe nach wie erheblichen Herausforderungen gegenüber, heißt es einer Mitteilung des EU-Außenbeauftragten Josep Borell. Vertriebene würden nach wie vor daran gehindert, in ihre Heimat zurückzukehren. In einem Positionspapier der UN-Syrien-Kommission heißt es, noch immer befänden sich Jesiden, darunter auch jesidische Frauen und Kinder, wegen ihrer vermeintlichen Nähe zum sogenannten Islamischen Staat unter unmenschlichen Bedingungen in Lagern in Nordostsyrien. Dort würden sie oftmals ohne Anklage oder Gerichtsverfahren festgehalten.

Am 3. August 2014 hatten Kämpfer der Terrororganisation «Islamischer Staat» die Sindschar-Region im Nordirak überfallen. Tausende Angehörige der dort beheimateten jesidischen Gemeinschaft wurden verschleppt oder getötet. Etwa 7.000 Frauen und Kinder wurden entführt, misshandelt, zur sexuellen Sklaverei gezwungen oder als menschliche Schutzschilde benutzt, heißt es in dem UN-Bericht. Immer noch werden nach Angaben von Amnesty International schätzungsweise 2.600 Menschen vermisst.

Hintergrund

Das Jesidentum ist eine monotheistische Religion, deren Wurzeln bis 2.000 Jahre vor Christus zurückreichen. Sie nahm Glaubenselemente, Riten und Gebräuche westiranischer und altmesopotamischer Religionen sowie von Juden, Christen und Muslimen auf. Jeside wird man ausschließlich durch Geburt, beide Elternteile müssen der Religionsgemeinschaft angehören. Niemand kann übertreten oder bekehrt werden. Bei Ehen mit Nicht-Jesiden verlieren Gläubige ihre Religionszugehörigkeit.

Schätzungen zufolge leben mehr als 200.000 Jesidinnen und Jesiden in Deutschland - es ist die größte Gemeinde außerhalb des Iraks. Die Gemeinschaft selbst schreibt sich «Êzîden». Weltweit bekennen sich mindestens 800.000 Menschen zum jesidischen Glauben. Sie zählen sich überwiegend zur Volksgruppe der Kurden. Traditionell ansässig ist die Gemeinschaft in der Sindschar-Region (kurdisch: Shingal) im Nordirak. Ihr religiöses Heiligtum Lalisch liegt etwa 170 Kilometer nördlich der Millionenstadt Mossul entfernt.

Jesidinnen und Jesiden werden immer wieder verfolgt und diskriminiert. Fanatische Muslime sehen die Gemeinschaft als Sekte und die Mitglieder als «Teufelsanbeter» an, weil in der jesidischen Religion der «Engel Pfau» (Melek Taus) eine bedeutende Rolle spielt. Im Koran wird die Figur als gefallener Engel bezeichnet.

Der Bundestag erkannte die Gewalttaten des IS 2023 als Völkermord an. Eine Rückkehr der Jesiden aus den Flüchtlingslagern in der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak oder aus dem Exil ist nach Angaben des Zentralrats der Eziden in Deutschland wegen mangelnder Sicherheit bisher nicht möglich.

Die UN-Kommission forderte in ihrem Bericht, dass Jesiden die Möglichkeit haben sollten, zwischen einer Rückkehr in den Irak, einer Familienzusammenführung oder einer Neuansiedlung in Drittstaaten zu wählen. Sie unterstützt zudem Forderungen nach der Einrichtung eines internationalen Entschädigungsfonds für die Überlebenden des Völkermords. Die Kommission forderte die internationale Gemeinschaft auch auf, Geld für humanitäre Hilfe bereitzustellen, einschließlich Geld für eine geschlechter- und altersgerechte Gesundheitsversorgung, psychosoziale Hilfe sowie Bildung.

In Deutschland gedachten am Samstag in der Frankfurter Paulskirche Vertreter aus Politik und Zivilgesellschaft den Opfern des Völkermords an der Glaubensgemeinschaft, deren Wurzeln bis ins 2.
Jahrtausend vor Christus zurückreichen. «Wir stehen zusammen, um das Leid zu würdigen und unsere Entschlossenheit zu erneuern, um für eine bessere Zukunft zu kämpfen», sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Eziden in Deutschland, Irfan Ortac.

Der Beauftragte der Bundesregierung für weltweite Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Frank Schwabe (SPD), forderte, Jesiden müssten Sicherheit in ihrer früheren Heimat im nordirakischen Sindschar bekommen, um zurückkehren zu können. Niemand könne wollen, dass der sogenannte Islamische Staat Jahre nach seiner Niederlage sein Ziel erreiche, indem Jesiden ihrer Heimatregion den Rücken kehrten.

Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung, der auch für den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an dem Gedenkakt teilnahm, sagte, der Schmerz über die IS-Verbrechen sei nach wie vor groß in der Gemeinschaft. In Deutschland lebe die größte Gemeinschaft außerhalb ihrer Heimat. Für sie ist es außerordentlich wichtig, dass ihr Leid in Deutschland wahrgenommen werde.

Autor:

Online-Redaktion

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