US-Truppen und Rote Armee an der Elbe
Die Geschichte eines Handschlags

Elbbrücke in Torgau, rechts das Schloss Hartenfels | Foto: G. Buchwald
  • Elbbrücke in Torgau, rechts das Schloss Hartenfels
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Irgendwann verschwimmen bei der Tour mit Pascal Straßer Vergangenheit und Gegenwart: Der Historiker führt eine Gruppe Bundeswehrsoldaten durch das sächsische Torgau.

Von Joachim Heinz

Gerade spricht er über einen entscheidenden Moment im Zweiten Weltkrieg, der sich vor 80 Jahren hier an der Elbe abspielte. Da hallen plötzlich Schüsse vom anderen Ufer herüber. Ein Schießstand, nichts weiter, sagt Straßer und setzt routiniert seinen Vortrag fort.

An jenem 25. April 1945 sollte der Geschützdonner für einen Moment leiser werden. Mittags war es rund 30 Kilometer elbaufwärts, beim Ort Strehla, zum ersten direkten Treffen zwischen US-amerikanischen und sowjetischen Truppen gekommen. Gleichzeitig schloss sich der Ring um die Hauptstadt Berlin. Die Tage des nationalsozialistischen Dritten Reichs waren gezählt – auch wenn die Kapitulation erst am 8. Mai erfolgte und die Deutschen bis zum Schluss erbitterte Gegenwehr leisteten. In der Gegend um Strehla kam es am 25. April noch zu zwei weiteren Kontakten.

Währenddessen begaben sich unabhängig davon vier US-Soldaten unter dem Kommando von Leutnant Bill Robertson in einem Jeep vom weiter westlich gelegenen Fluss Mulde aus auf eine Erkundungsfahrt. Sie sollten in Erfahrung bringen, ob sich zwischen Mulde und Elbe noch deutsche Truppen befanden. Als Robertson und seine drei Kameraden erfuhren, dass in einem Wehrmachtgefängnis in Torgau alliierte Soldaten einsäßen, nahmen sie eigenmächtig Kurs auf Torgau. Vom Torgauer Schloss Hartenfels versuchten die Amerikaner, Kontakt zu den Sowjet-truppen auf dem gegenüberliegenden Flussufer aufzunehmen. Das dauerte eine Weile. Doch dann konnten Soldaten beider Seiten über die von den Deutschen gesprengte Elbe-Brücke klettern. Robertson und der sowjetische Leutnant Alexander Silwaschko fielen sich in die Arme.

Doch damit ist die Geschichte des "Link-Up", des historischen Zusammenschlusses der Alliierten, noch nicht zu Ende. In einem Flügel des Schlosses Hartenfels holen Pascal Straßer und seine Chefin Elisabeth Kohlhaas vom Erinnerungsort Torgau eine vergilbte Zeitung aus dem Archiv. Der Londoner "News Chronicle" vom 28. April 1945 meldet in großen Lettern das erfolgreiche Zusammentreffen. "Von den Ufern der Wolga hat sich die Rote Armee 1400 Meilen nach Westen durchgeschlagen; von den Stränden der Normandie kämpften sich die Amerikaner 700 Meilen Richtung Osten vor, und in Torgau an der Elbe, im Herzen des Reichs, haben sie sich schließlich getroffen." Daneben: ein Bild, auf dem sich drei amerikanische und vier sowjetische Soldaten auf der zerstörten Elbe-Brücke von Torgau die Hand reichen. "Ein sehr symbolträchtiges Foto", sagt Straßer. "Aber es ist nachgestellt."

Im Schlepptau der US-Army kamen Fotografen an die Front. In Leipzig hatte der berühmte Frank Capa wenige Tage vor den Ereignissen in Torgau mit seiner Fotoserie "Last Man to Die" dokumentiert, wie der 21-jährige Soldat Raymond J. Bowman durch einen deutschen Heckenschützen erschossen wurde. Neben Capa waren auch seine Kolleginnen Margaret Bourke-White und Lee Miller in der Messestadt auf der Jagd nach Motiven. Miller kam kurz darauf auch nach Torgau. Dort flogen am 26. April der Fotograf Allan Jackson von der Nachrichtenagentur News Service und die Korrespondentin Ann Stringer von United Press ein. Jackson bat mehrere Soldaten, für ein – inszeniertes – Bild vom Handschlag Aufstellung zu nehmen. Seine Aufnahme ging kurz darauf um die Welt, Ann Stringer verfasste die Meldung dazu, als Beleg dafür, dass der Krieg nach bald sechs Jahren an sein Ende kam, wie Kohlhaas erläutert.

Die Sehnsucht nach Frieden und Völkerverständigung, die Jacksons Foto transportiere, wachse gerade wieder angesichts der gegenwärtigen Krisen, erklärt sie. Zugleich stehe der Riss in der Brücke, der zu den Füßen der Soldaten zu sehen sei, für die schon länger wahrnehmbaren Verwerfungen innerhalb der Nachkriegsordnung. Der Kalte Krieg zeichnete sich damals schon ab. "Aktuell sind wir gerade an einem Punkt, an dem man ganz neu auf dieses Foto schaut", zeigt sich die Politikwissenschaftlerin überzeugt.

 (kna)

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