Rezension
Spannungsverhältnis auf den Punkt gebracht
Thüringen ist klein, sehr klein. So klein, dass ein amtierender linker Ministerpräsident mit seiner aus der CDU stammenden Vorgängerin gut befreundet sein kann – ohne dass es jemanden wundert. Der gemeinsame christliche Glaube und die protestantische Weltsicht seien es, das betonen Bodo Ramelow und Christine Lieberknecht immer wieder, die sie verbindet.
Von Paul-Philipp Braun
Beider Leben gleichen sich, ohne einander zu ähneln. Sie, die studierte Theologin, die schon direkt nach der Wende offiziell in die Landespolitik einstieg und bis 2014 das Land regierte, und er, der gelernte Kaufmann, der nach der Wende aus Marburg kam und als Gewerkschafter Politik machte, ohne sich selbst einen Politiker zu nennen.
Die tiefe Verbundenheit der beiden ist jedoch nur eines der vielen spannenden Spannungsverhältnisse, in denen Bodo Ramelow seit jeher steht: Sein christlicher Glaube und seine sozialistische Weltsicht sind ein anderes. Der Unterschied zwischen der unmittelbaren Kommunikation mit dem Wähler über die sozialen Medien und dem eines staatsmännischen Ministerpräsidenten ein Dritter.
In der ersten gedruckten Biografie des Thüringer Ministerpräsidenten "… und manchmal platzt der Kragen" arbeitet Johannes Maria Fischer eben jene scheinbaren Widersprüche, die der Mensch Ramelow aufzuweisen scheint, fein ziseliert heraus. Fischer begibt sich tief hinein in die persönliche Geschichte eines Mannes, der auch für den Ost-West-Austausch steht, und der in seinem Leben, auch davon erzählt der Autor, nicht nur Sonnenseiten erleben durfte.
Johannes Maria Fischer, von 2016 bis 2018 Kurzzeit-Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen und heute Chefredakteur der Eßlinger Zeitung, hat sich dafür auf den Weg gemacht, nicht nur Ramelows Leben zu beschreiben. Dezidiert schildert der Journalist auch seine persönlichen Begegnungen mit dem Linken und dessen Umfeld. So gibt er einen Einblick in zwei Biographien: die des Ministerpräsidenten und in gewisser Weise auch die des Autors. Dabei gelingt es Fischer, durch seine objektive und nur vom kurzen Aufenthalt in Thüringen geprägte Sicht auf den im Land verwurzelten Ramelow eine Skizze abzuliefern, die nur an wenigen Stellen oberflächlich wirkt und ansonsten eher versucht, eine professionelle Distanz zu wahren.
Immer wieder geht Johannes Maria Fischer auf Ramelows Glauben ein, erklärt ausführlich seine Herkunft aus der Familie des Theologen Johann Philipp Fresenius und zeigt, wie der Ministerpräsident diesen im Alltag zu leben scheint. Etwa dann, wenn er zusammen mit Friedrich Schorlemmer und Heino Falcke die Erfurter Erklärung durch Bibelworte begründet. Oder wenn Fischer sich fast schon theologisch damit auseinandersetzt, das Gottesbild des Sozialisten zu beschreiben.
Das Buch, erschienen im kleinen Leipziger Verlag "Edition Überland", ist eines, das sich nicht nur zu lesen lohnt. Es ist vor allem optisch etwas Besonderes. Bunt und farbenfroh wirken Cover und Klappe, Hashtags – also die Hervorhebungen der Sozialen Medien – weisen inhaltlich den Weg, und eine Auswahl an Fotos macht das Geschriebene noch anschaulicher. Fischers Stil ist so einfach wie kurzweilig und schafft auf diesem Weg eine Nähe zum Protagonisten, die nie voyeuristisch, aber immer persönlich wirkt. Lediglich einige inhaltliche Wiederholungen sind es, die den interessierten Leser bei manchem der 31 Kapitel auf 336 Seiten mit den Augen rollen lassen könnten. Dass diese aber bewusst gesetzt sind, um die Abschnitte auch ohne den Kontext der gesamten Biographie zu verstehen, ist nicht ausgeschlossen.
Mit "… und manchmal platzt der Kragen" gestattet Johannes Maria Fischer einen Einblick in eine interessante und prägende Persönlichkeit Mitteldeutschlands. Denn auch wenn Fischer keine wirklich neuen Erkenntnisse über das Leben und Wirken Bodo Ramelows offenbart, so bringt er es dennoch kurzweilig, übersichtlich und unterhaltsam auf den Punkt.
Fischer, Johannes Maria: … und manchmal platzt der Kragen: Bodo Ramelow – eine Biografie, Edition Überland, 336 S., ISBN 978-3948049140; 26,00 Euro
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