Rat der EKD
Die Schwester aus der Bruderschaft

Gremienarbeit in Ordenstracht: Schwester Nicole Grochowina nach ihrer Wahl in den Rat der EKD während der Synodentagung in Würzburg. Von ihr stammen auch mehrere Beiträge der Glaubensserie von "Glaube + Heimat" und "Der Sonntag", die Ostern 2025 startet.  | Foto: epd-bild/Heike Lyding
  • Gremienarbeit in Ordenstracht: Schwester Nicole Grochowina nach ihrer Wahl in den Rat der EKD während der Synodentagung in Würzburg. Von ihr stammen auch mehrere Beiträge der Glaubensserie von "Glaube + Heimat" und "Der Sonntag", die Ostern 2025 startet.
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In der evangelischen Kirche gibt es verschiedene Formen des Ordenslebens. Mit Nicole Grochowina ist nun eine Ordensschwester aus der evangelischen Communität Christusbruderschaft Selbitz im Rat der EKD vertreten. Benjamin Lassiwe sprach mit der habilitierten Historikerin über Armut, Gemeinschaft und ihre Aufgabe.

Schwester Nicole, was macht eine evangelische Ordensgemeinschaft?
Schwester Nicole Grochowina: Wir machen das, was andere Menschen auch machen: Wir beten. Wir engagieren uns in der Gesellschaft. Und wir tragen das Evangelium in die Welt.
Der Unterschied ist, dass wir es als Gemeinschaft tun und zusammen leben, denn wir haben uns zu den evangelischen Räten und zum gemeinsamen Leben verpflichtet.
Weil wir davon ausgehen, dass sich im gemeinsamen Gebet und im gemeinsamen Leben möglicherweise noch einmal andere Synergieeffekte oder, geistlich gesprochen, andere Vollmachten ergeben.

Wie stellt sich ein normaler Tag in Ihrem Leben dar? Was machen Sie im Kloster oder eben in der Kommu-nität?
Unser Tagesablauf ist strukturiert. Wir haben drei Gebetszeiten am Tag. Der Rest ist gemeinsames Leben, die gemeinsamen Essenszeiten, fast schon banal, aber wie in einer gut organisierten Familie. Und dann hat jeder von uns verschiedene Aufgaben.
Wenn ich zu Hause bin, bin ich in den Alltag eingebunden. Und ansonsten bin ich zuständig quasi im "Außenministerium" der Gemeinschaft, also in deren Vertretung nach außen, in ökumenischen Diensten, an der Universität und ähnliches mehr.
Aber all das findet auf der Grundlage unseres Gemeinschaftslebens statt: Das Gebet ist dabei der Grundtenor.

Wie ertragen Sie persönliche Armut?
Jetzt könnten wir eine Riesendebatte führen: Was ist Armut? Wir könnten zunächst über geistliche Armut sprechen. Materiell heißt das: Bei uns ist es auch die Armut, die sich ergibt, wenn man Gütergemeinschaft lebt und um alles bitten muss.
Im Grunde habe ich dadurch alles und nichts. Das macht jedoch das Leben leichter: Denn wer mehr hat, hat auch mehr Verpflichtungen. Und die fallen für mich natürlich in manchen Bereichen weg, weil wir durch die Gütergemeinschaft auch so etwas wie eine Arbeitsteilung haben.
Die Armut ist, finde ich, einer der unproblematischen evangelischen Räte, im Gegensatz übrigens zum Gehorsam, den ich vor dem Hintergrund des sexuellen und geistlichen Missbrauchs eher problematisch finde.

Sie sind Historikerin. Angenommen, Sie sehen irgendwo einen opulenten und entsprechend teuren Ausstellungskatalog – können Sie sich den dann kaufen?
Nein, das kann ich nicht. Aber ich kann zu Hause fragen, ob das nicht einen Mehrwert für unsere ganze Gemeinschaft hat. Dann könnten wir es anschaffen. Generell kaufe ich selten Bücher. Ich behelfe mich mit Bibliotheken und digitalen Medien. Gelegentlich erhalte ich auch Rezensionsexemplare. Da muss man ein bisschen kreativ sein.

Sie sind eine Gemeinschaft, die sich Christusbruderschaft nennt. Das heißt, bei Ihnen gibt es Männer und Frauen?
Bei uns gibt es tatsächlich Männer und Frauen in der Gemeinschaft. Aber deswegen heißen wir nicht "Bruderschaft". Das bezieht sich auf unseren gemeinsamen Bruder Christus. Brüder haben wir tatsächlich nur noch ganz wenige.
Und dann haben wir beschlossen, diesen Zweig unserer Gemeinschaft auslaufen zu lassen, denn die Altersdifferenz zu den Brüdern, die schon da sind, wäre ansonsten zu groß. Wer zu uns kommt, soll seine Berufung leben und nicht die Frage immer im Hinterkopf haben: Bin ich nur hier, um die Anderen eines Tages zu pflegen? Deswegen schicken wir Männer, die zu uns kommen wollen, lieber in andere Bruderschaften.


"Wenn ich zu Hause bin, bin ich in den Alltag eingebunden. Und ansonsten bin ich zuständig quasi im ›Außenministerium‹ der Gemeinschaft, also in deren Vertretung nach außen, in ökumenischen Diensten, an der Universität und ähnliches mehr"

Sie selbst haben den Schritt in die Gemeinschaft zu einem Zeitpunkt gemacht, wo Sie im Grunde genommen auf dem besten Wege zu einer Professur für Geschichte der Frühen Neuzeit waren. Dann haben Sie das unterbrochen, und jetzt vertreten Sie plötzlich eine Professur.
Ich habe tatsächlich eine Professur für ein Semester vertreten. Das gemacht haben zu dürfen, empfinde ich als reine Gnade. Tatsächlich ist es doch so, dass der Eintritt ins Kloster eine Zäsur ist.
Denn es heißt: Wer aus der Wissenschaft rausgeht, und sei es auch nur für eine kurze Zeit, muss sich gut überlegen, das zu tun – weil man sonst möglicherweise nie wieder reinkommt.
Eigentlich. Aber ich bin tatsächlich seit 2012 über Lehraufträge wieder mit dabei. Dann hatte ich eine Assistentenstelle, dann die Vertretung der Professur.
Das hängt auch damit zusammen, dass sich die erste Professorin, bei der ich in Erlangen tätig war, nicht von meiner Tracht abschrecken ließ. Jetzt ist es über die Jahre so geworden und geblieben. Das finde ich großartig.

In Würzburg sind Sie in den Rat der EKD gewählt worden. Was wollen Sie dort bewirken?
Das ist ja tatsächlich die Frage: Was kann ich da noch bewirken? Es sind noch knapp zwei Jahre. Generell hat die evangelische Kirche zwei Vorzeichen: Das eine ist, die Hoffnung zu bekunden, zu der wir berufen sind: In der Verkündigung, im Gebet und so weiter.
Das zweite Vorzeichen ist der Missbrauch, denn die Vertrauensgrundlage der Menschen in die Kirche ist entzogen. Aber es geht nicht zuerst darum, Vertrauen wiederzugewinnen. Es geht darum, präzise das Geschehene aufzuarbeiten und zu sagen: "Ja, wir stellen uns dem."
Natürlich werden wir auch immer eine politische Stimme sein. Das müssen wir auch. Denn das Evangelium ist politisch. Auch da liegen die Themen auf der Straße: das Kirchenasyl, die Seenotrettung, die politische Entwicklung Deutschlands und Europas.
Aber wir dürfen die Grundlagen dabei nicht vergessen: Die Hoffnung bekunden und den Missbrauch aufarbeiten.

Können Sie es schaffen, die Kirche wieder spiritueller zu machen?
Das ist nicht meine Aufgabe. Das ist Gottes Aufgabe. Aber ich kann vielleicht mit meiner Person zeigen, dass es nicht wehtut, spirituell unterwegs zu sein.

(kna)

Autor:

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