Ökumenische Akademie
Die Blase platzen lassen

- Frank Hiddemann
- Foto: Wolfgang Hesse
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Die Ökumenische Akademie Gera/Altenburg hat ihr Programm für 2025 vorgelegt. Das Jahresthema lautet: Krieg und Frieden. Warum Konflikt und Verständigung keine unversöhnlichen Gegensätze sein müssen, darüber sprach Beatrix Heinrichs mit Akademieleiter Frank Hiddemann.
In eine Zeit der Krisen und Kriege fällt das Gedenken an 500 Jahre Bauernkrieg. Was verbindet das Thema der Schlachten von einst mit den Konflikten der Gegenwart?
Frank Hiddemann: Gerade lese ich das Buch "Für die Freiheit" der Historikerin Lyndal Roper. Sie erklärt, dass zur Zeit des Bauernkriegs ein großes Gefühl von Ungerechtigkeit dominierte. Vor allem habe die Reformation und der durch sie geprägte Freiheitsbegriff die Menschen aus dem Unverstehen der Welt herausgelöst und sie in ein Handeln gebracht. Die Bauernkriegssituation ist eine, die mit unserer Gegenwart sehr vergleichbar ist.
Inwiefern?
Früher, so habe ich das Gefühl, musste ich immer nur gegen jene angehen, die zu Diskussionen die AfD nicht einladen wollten. Nun gibt es derzeit Veranstaltungen im Kirchenkreis im Vorfeld zur Bundestagswahl. Tatsächlich gibt es Orte, wo man generell keine Politiker mehr im Podium haben möchte. Die Verdrossenheit und Skepsis gegenüber den Regierenden ist groß geworden. Und genau das ist ein Szenario, wie wir es auch aus der Zeit des Bauernkriegs vor 500 Jahren kennen.
Was können Sie dem entgegensetzen?
Zum Beispiel Formate wie unsere Jahresreihe. Geplant sind sieben Themenabende zu Krieg und Frieden. Ich werde auch die einladen, die sich als neue Friedensbewegung gerieren, das BSW, aber auch die AfD und die Montagsspaziergänger. Es wird jeweils einen Experten geben und zwei, die sich streiten. Das Sprachspiel der Argumentation, auf dem auch schon die Veranstaltungen mit der AfD aufgebaut haben, eignet sich für Kontroversen. Ich habe es gewählt, weil es per se gegen Populismus gerichtet ist – der nämlich scheut die Sachlichkeit. Auch beim Thema Krieg und Frieden wird allzu oft in Phrasen und Parolen gesprochen, die Weltanschauungen widerspiegeln, aber keinen Raum lassen, um Argumente auszutauschen. Das führt zu Polarisierung. Sachliche Diskussionen hingegen können zeigen, dass man gemeinsam in einem Feld steht und erkennt, dass die eine Handlung genauso negative Folgen haben kann, wie die andere. Auch der Pazifismus kann schreckliche Folgen haben, wenn man auf Widerstand oder Gegenwehr verzichtet.
Die christliche Friedensethik hat eine lange Tradition. Wo hört die Friedensliebe auf – auch für Christen?
Die einstigen DDR-Friedensbewegten sind heute oft die ersten, die sich für die Taurus-Lieferungen aussprechen. Für sie ist, wenn »der Russe kommt«, einfach Schluss mit Pazifismus. Im Gegenteil: Da müssen alle Register gezogen werden. Eigentlich gilt ja: Wenn der Nächste angegriffen wird, ist man ihm Hilfe schuldig. Die Frage allerdings ist, ob Krieg nicht ein Mittel ist, das prinzipiell mehr Krieg und Gewalt zeugt, als es verhindern kann.
Wer sich für Waffenlieferungen ausspricht, argumentiert, dass man mithilfe des Krieges Konflikte zu Ende bringen könnte, die sich sonst hinziehen würden. Die Forschungen der Friedensinstitute zeigen, dass das so nicht stimmt. Oftmals münden gewaltsame Konflikte in Abnutzungs- und Ermüdungskriegen, die eben nicht enden, die blutig sind und Gesellschaften über Generationen traumatisieren. Da stellt sich die Frage, ob das Anliegen, dem Nächsten helfen zu müssen, auf moderne Kriege überhaupt anwendbar ist und tatsächlich nicht besser verneint werden sollte.
Im Vorwort zum Programm zitieren Sie den Jenaer Theologen Manuel Vogel, der die Botschaft des Neuen Testamentes auf die Spannung zwischen Konfliktbereitschaft und Verständnisbemühung kondensiert. Bei welchem der beiden Pole sehen Sie noch Luft nach oben?
Die Tendenz in der Gesellschaft ist, auseinander zu gehen und in der eigenen "Blase" zu bleiben. Aber Konfliktbereitschaft ist wichtig. Es braucht die sogenannten Bubble-Crasher, diejenigen, die die Blase platzen lassen. Das Zusammenbringen von Menschen mit verschiedenen Standpunkten ist darum so wichtig, damit dieser Diskurs überhaupt erst geführt wird. Man kann unterschiedliche Ansichten haben. Dadurch aber, dass man in einer sachlichen Diskussion eine gemeinsame Form der Auseinandersetzung wählt, kommt man sich – wenn auch nicht inhaltlich – doch näher.
Das ist auch Ziel der Fremdenführungen durch Gera, die seit 2017 Bestandteil des Programms sind. Warum bleibt dieses Format wichtig?
Wenn man eine Veranstaltung zum Thema "Kopfbedeckungen in den Religionen" anbietet, kommen vier Besucher. An den Fremdenführungen zu den Läden im Quartier am Geraer Südbahnhof nehmen bis zu 50 Menschen teil. Ein Begegnungsformat ist für viele eben interessanter: Es spricht ihre Neugier an, ist unverbindlich, und es entsteht kein moralischer Druck.
8 oek-akademie-gera.de Nachgefragt


Autor:Online-Redaktion |
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