Porträt
Pflege- und Gottesdienst aus einer Hand
Für Antje Müller ist es ein Tag wie jeder andere: Mit dem Schließen der Autotür im heimatlichen Stolberg beginnt für sie jeden Morgen der Arbeitstag – zumindest schon einmal in Gedanken. Auf der Fahrt bis nach Bleicherode überlegt sie, welche Aufgaben in den kommenden Stunden wichtig sein werden – und sucht schon nach Lösungen.
Von Heinz Noack
Antje Müller ist die Heim- und Pflegedienstleiterin des Evangelischen St.-Marien-Hospitals in Bleicherode. Dort verbringen 82 pflegebedürftige Männer und Frauen ihren Lebensabend und werden von 75 Pflege- und Betreuungskräften liebevoll betreut und versorgt.
Der Gebäudekomplex ist ein moderner Bau aus den späten 1990er-Jahren. Er verfügt über 68 Einzel- und sieben Doppelzimmer. Die Wohnbereiche sind ganz individuell gestaltet und tragen Namen, die eng mit der Stadt Bleicherode verbunden sind. Die ganze Atmosphäre strahlt etwas sehr Familiäres aus.
Bereits seit 25 Jahren arbeitet Müller im Pflegedienst. Sie liebt ihren Beruf sehr, sagt sie, und gehe darin auf. Im Vordergrund stünden bei allem Tun dabei für sie die sieben Werke der Barmherzigkeit. „Der Glaube ist für mich und meine Arbeit sehr wichtig.“
Berufsbegleitend hat sie sich am Diakonischen Bildungsinstitut Johannes Falk in Eisenach zur Diakonin weitergebildet. Gemeinsam mit den elf anderen Kursteilnehmern wird sie am ersten Advent in der Augustinerklosterkirche zu Erfurt durch Landesbischof Friedrich Kramer für ihren Dienst eingesegnet.
Und auch als Lektorin ist Müller im Einsatz: Jede Woche freitags gestaltet sie für alle im Haus eine kurze Andacht in der Hauskapelle des Hospitals. Hier kann jeder teilnehmen, egal ob er kirchlich ist oder nicht. Christliches Handeln, so versteht sie es, ist nicht an eine Konfession gebunden.
Im Abstand von zwei Wochen wird zudem zum Gottesdienst eingeladen, den sie ebenfalls gestaltet. In der Beteiligung sei nach oben noch Luft, meint sie. Nicht jeder der Pflegebedürftigen sei von Anfang an dem Glauben gegenüber aufgeschlossen. „Das ändert sich aber meist, je länger die Menschen bei uns sind“, weiß Müller aus Erfahrung. „So ist es möglich, das Weltliche und das Christliche in eine Balance zu bringen.“
Besonders in der harten Coronazeit war ihr der Glaube eine große Hilfe. „Die täglichen Aufgaben haben mehr Kraft gekostet als sonst“, erinnert sie sich. „Ich habe in dieser Zeit jeden Tag gebetet und mich an allen Aufgaben beteiligt. Das haben mir die Mitarbeiter hinterher auch gedankt.“
Auch Abschiede gehören zum Beruf, der vielleicht mehr noch eine Berufung ist. Am Sterbebett gestaltet Müller gemeinsam mit den Angehörigen eine Aussegnung, wobei sie den Verstorbenen segnet und so ein letztes Mal Gott um seine Gnade bittet. Einmal im Jahr wird im St.-Marien-Hospital auch ein Trauer-Café für die Angehörigen der Verstorbenen angeboten.
Nun in der Adventszeit bereiten sich Pflegebedürfte, Betreuungskräfte und Angehörige auf den Höhepunkt des Jahres vor: die Christvesper in der weihnachtlich geschmückten Hauskapelle. Den Gottesdienst gestaltet Antje Müller, das Krippenspiel führen die Pflegebedürftigen auf.
Soweit, so gut. Eine Sorge aber bleibt: „Wir haben übrigens noch keinen Weihnachtsbaum“, gibt Müller zu bedenken, sie hofft aber, dass sich noch rechtzeitig ein Spender finden werde.
Autor:Online-Redaktion |
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