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Geburtshilfe
Rosen vor dem Kreißsaal sind kein Kompliment

Eine Hebamme zeigt wie man einen Säugling pflegt | Foto: epd-bild/Detlef Heese
  • Eine Hebamme zeigt wie man einen Säugling pflegt
  • Foto: epd-bild/Detlef Heese
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Geburten sind meist schmerzhaft. Gewaltsam und respektlos sollten sie nicht sein, das verlangen Elterninitiativen und Hebammen. Doch etliche Frauen erleben sie so. Anja Müller ist eine von ihnen.

Von Renate Haller (epd)

Eine Rose vor einem Kreißsaal ist kein Kompliment. Frauen legen sie dort am «Roses Revolution Day» ab. Die Blume ist ein Symbol dafür, dass eine Frau an diesem Ort während der Geburt ihres Kindes Gewalt erfahren hat. Gleich zweimal ist das Anja Müller passiert (Name geändert): Sie hoffte jeweils auf «eine natürliche Geburt», ist in der Klinik aber «in eine Maschinerie geraten», wie sie sagt.

Seit 2011 gibt es den «Roses Revolution Day» weltweit am 25. November. Frauen machen damit ein Thema öffentlich, das lange als Tabu galt. Sie berichten von Damm- oder Kaiserschnitten ohne medizinische Notwendigkeit, davon, dass sie mit Schmerzen alleine gelassen wurden und von Respektlosigkeit. Sie erzählen von Untersuchungen, über die sie niemand informiert hat. Die Elterninitiative «Gewaltfreie Geburtshilfe» will darüber aufklären und lädt für den 9. September zu einer Kundgebung in Frankfurt am Main ein.

Anja Müller fühlte sich im Mai 2021 gut vorbereitet, als sie zur Geburt in der Klinik ankam, wie sie erzählte. Sie hatte in der Geburtsvorbereitung gelernt, dass sie Wehen auch im Stehen begegnen kann. Eine Hebamme im Krankenhaus habe das abgelehnt. Eine zweite habe es befürwortet, sich aber nicht durchsetzen können. Die Auseinandersetzung zwischen den beiden sei für sie sehr unangenehm gewesen, sagte Müller.

Im weiteren Verlauf sollten die Herztöne des Kindes dauerhaft kontrolliert werden. Die praktizierende Hebamme habe versehentlich versucht, das medizinische Gerät dazu im Körper der Mutter zu befestigen, statt am Kopf des Kindes. Auf ihre Schmerzensschreie hin sei ihr gesagt worden: «Da müssen Sie jetzt durch», sagt Müller. Erst nach einem weiteren schmerzhaften Versuch habe eine andere Hebamme eingegriffen.

Das Personal hätte ihre Schmerzen ernst nehmen müssen, erklärt Müller. Tatsächlich aber habe man ihr vermittelt, zu empfindlich zu sein. Die 37-Jährige erlebte das Gleiche bei der Periduralanästhesie (PDA). Die Hebamme habe ihr zunächst nicht geglaubt, dass sie trotz Betäubung starke Schmerzen hatte.

«Häufig geht es um Respektlosigkeit und fehlende Kommunikation», sagt Saskia Riemer von der Elterninitiative «Gewaltfreie Geburtshilfe». Die Frau werde unter der Geburt als nicht zurechnungsfähig gesehen, immer wieder spreche und entscheide das Personal über ihren Kopf hinweg. Bei fast 90 Prozent aller Geburten werde interveniert, sagt Riemer. Medizinisch sei das oft nicht notwendig.

Anja Müller hat nach der ersten Geburt aufgearbeitet, was ihr passiert ist. «Im Vertrauen darauf, dass es auch anders geht», ist sie zur zweiten Geburt in das gleiche Krankenhaus gegangen. Doch auch dieses Mal sei ihr im Kreißsaal gesagt worden, dass sie beim Pressen nicht stehen dürfe. Und sie sei auf eine Ärztin getroffen, die nicht mit ihr gesprochen habe. «Ich wurde in eine Geburtsposition gepresst, die sich nicht gut für mich angefühlt hat, und schließlich sind sie auf mich drauf gestiegen, um die Geburt zu beschleunigen.»

«Die Frau wird im Kreißsaal als Container für das Kind gesehen», kritisiert Katharina Desery vom Elternverein «Mother Hood». Mit einer Rolle als Objekt hätten viele Frauen Probleme. Der Verein hat deshalb ein Hilfetelefon eingerichtet, damit Frauen über das sprechen, was ihnen bei der Geburt passiert. Von Kliniken fordert «Mother Hood», die Patientenrechte einzuhalten.

«Immer wieder werden auch die Rechte von Frau und Kind gegeneinander ausgespielt», sagt die Diplom-Psychologin Claudia Watzel. Sie arbeitet seit Jahren zu dem Thema und berät betroffene Frauen in einem Berliner Stadtteilzentrum. Wenn Frauen einer Intervention nicht zustimmten, werde ihnen gesagt, dass dann ihr Kind sterbe. «Gewalt hinterlässt Spuren bei den Frauen und in den Familien», betont Watzel. In der Folge könne es unter anderem zu Postpartalen Depressionen und Posttraumatischen Belastungsstörungen kommen.

In einem Positionspapier des Deutschen Hebammenverbands von 2020 ist die Rede von zehn bis 25 Prozent der Frauen in Deutschland, die Gewalt unter der Geburt erfahren. Genaue Zahlen gibt es nicht.
Martina Klenk, Vorsitzende des Landesverbands der Hessischen Hebammen, verweist auf strukturelle Probleme in den Krankenhäusern. Hebammen müssten zwei bis fünf Geburten gleichzeitig betreuen.
Notwendig sei eine 1:1-Betreuung, fordert sie.

Fehlendes Personal sei allerdings keine Entschuldigung, sagt Klenk. Sie habe im Kreißsaal auch den sogenannten «husband stitch» erlebt, wenn ein Arzt den Damm nach einer Geburt enger zunähe, als es sein müsse. «Das ist Sexismus und Gewalt», sagt sie. Der Verband habe Fortbildungen konzipiert und Empfehlungen für traumasensible Geburten herausgegeben. Die Verbandsvorsitzende sagt, sie sei froh, dass immer mehr Betroffene berichteten, was ihnen passiert sei. Ihre Kolleginnen würden zwar «fürchterlich erschrecken», wenn eine Rose vor dem Kreißsaal liege, aber das zwinge zur Reflexion. «Wir müssen das Problem lösen, Gewalt unter der Geburt darf es nicht geben», betont Klenk.

Autor:

Katja Schmidtke

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