Von meiner Arbeit im Krankenhaus
CHRISTUS FÜR DICH

Heiliges Mahl
Chirurgie, Altenzimmer,
wir haben Abendmahl zusammen gefeiert,
die Woche zuvor hatte ich sie gefragt.
Kerzen brennen, Brot und Wein.
die alten Worte: "Unser Herr Jesus Christus,
in der Nacht, da er verraten ward..."
Schütterer Gesang mit
verlorener Männerstimme, CHRISTUS
FÜR DICH, heilige Stunde, noch darin,
im Nachklang.

Drei Alte über fünfundachtzig,
links im Bett eine, munter, munter,
Pfarrerstochter aus Sachsen;
eine am Tisch, lächelnd, verwirrt,
aus Erfurt; die rechte im Bett,
eingeschlafen, bei Berührung stöhnt sie.

Die aus Sachsen: "Das war schön!"
Die am Tisch: "Gott hat alles gut gemacht!"
Die Dritte stöhnt ihre Übereinstimmung dazu.
Auch sie habe ich gesegnet.  Wie gesagt,
heilige Stunde, Himmel und Erde in
Berührung. Mir läuft es kalt hinten runter.
Dank dir, HERR! Hochgelobt in Ewigkeit!

Für Maria M., Bad Berka, Zentralklinik
Der  Tod hat einen Geruch,
ich wusste es nicht. Allesamt riechen Babys
nach dem Paradies. Die Düfte der geliebten Frau,
wer wolle sie je vergessen? Der Tod hat einen
Geruch, er riecht nicht gut; der Verwesung
Anfang.

Als ich gerufen wurde, lange nach Mitternacht,
schlug er mir entgegen. Da hatte eine rufen 
lassen nach einem, der mit ihr ging, und war
schon auf dem Weg. Ich wusste nicht, wie? Und
immer wieder ein Ton, der ausgeschaltet werden
musste, alle 30 Sekunden oder weniger.

Als Gewöhnung eintrat, stiegen wir in die Tiefe
von Dank, Schuld und Vergebung eines Lebens,
das ich nicht kannte, -las  ich von den Pretiosen
der Schrift, -sang auch diese und jene Strophe.
Es muss der rechte Weg gewesen sein, denn eine
halbe Sunde nach meinem Weggang war sie
friedlich entschlafen.

Trishagion
Manchmal ist alles ganz einfach, Ich werde
gerufen, fahre einige Kilometer Richtung Süden,
laufe durch eine Klinik, die sich völlig verändert
hat, finde den Patienten, der um ein Gespräch
ersucht hat, und wir lassen uns aufeinander ein.

Probleme über Probleme, Schuld, aufgetürmt
bergeweise, beinahe hätte er seine Frau
umgebracht! Scheidung, Schulden, Ängste, ohne
Arbeit. Ich sage wenig, kenne nur seinen
Allerweltsnamen, ziemlich verfahren alles.
Aber mittendrin, zwischen Reden und Schweigen,
Fragen und Antwortsuchen, hat sich auf einmal
DAS GLÜCK eingefunden, füllt wie
selbstverständlich den Raum, dreimal heilig.
Wir spüren es beide.

Ich fahre zurück,
froh beschwingt!

Für Klaus G.
Da hängst Du also immer noch an der Maschinerie der Medizin: 
Schläuche, Behälter, Impulse, Messungen, Kurven. Auch Menschen geschäftig und
gelassen, das ist ihre Arbeit täglich. Mit klaren Strichen umreißt der OA Deine
Chancen. Sie sind gering, minimal, eigentlich ohne. Da müsste schon ein Wunder,
und die sind selten . . . Hirntod so gut wie festgestellt, nur noch nicht gänzlich, da
noch keine 24 Stunden nach OP, Vorschrift, alles nach Muster.

Das Problem für die Familie, dass der Angehörige aussieht, als schliefe er nur: das
Herz schlägt, der Körper ist warm, jeden Moment könnten sich öffnen die Augen.
Könnten!

Unlängst erst saßen wir über dem Wort zusammen. Du, etwas älter als ich, 61 Jahre,
beteiligt, dynamisch, gut erhalten. Vorgestern gingest Du mit Deiner Frau durch
Winterlandschaft, innerlich beschäftigt mit dem Gemeindesonntag. Der Sturz, eine
Lappalie, - eine mit Folgen! Es war alles nicht so bedrohlich. Sophienhaus, sicher ist sicher.
Doch dann Schmerzen, Eintrübung, Weitertransport mit starrer Pupille, Blutung in
Bereich des Stammhirns ausgeräumt, Leben an der Maschine, Wie lange?
"Mitten wir im Leben sind, von dem Tod umfangen . . ." Ja, gewiss.
Ich bete mein Gebet, lege den Segen Dir auf die Stirn, höre mein Stimme als die eines
Fremden. Von Trost und ewiger Freude spricht sie.
Mein Trost. Deine Kinder: wie E. an Deinem Bett steht, mit Dir spricht, Dich berührt,
liebende Verlässlichkeit. Du solltest sie sehen! - Vielleicht siehst Du sie ja?!
Ihr Glaube richtet mich auf.

Autor:

Martin Steiger

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