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Trauer in der katholischen Welt
Papst Benedikt ist tot

Papst Benedikt XVI. 2011 bei der Messe auf dem Erfurter Domplatz während seines Deutschlandbesuchs  | Foto: epd-bild/Norbert Netz
  • Papst Benedikt XVI. 2011 bei der Messe auf dem Erfurter Domplatz während seines Deutschlandbesuchs
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  • hochgeladen von Willi Wild

Benedikt XVI. ist tot. «Schmerzerfüllt muss
ich mitteilen, dass Benedikt XVI., Papst Emeritus, heute um 9.34 Uhr
im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan verstorben ist», teilte
Vatikan-Sprecher Matteo Bruni, am Silvestermorgen per Bulletin in Rom
mit. Benedikt, der mit bürgerlichem Namen Joseph Ratzinger heißt,
wurde 95 Jahre alt. Er stand von 2005 bis 2013 an der Spitze der
katholischen Kirche.

Ein Nachruf von Benjamin Lassiwe: 
Er war seit mehr als 500 Jahren der erste Deutsche auf dem Stuhl Petri. Und er war seit dem hohen Mittelalter der erste Papst, der aus Alters- und Gesundheitsgründen von seinem Amt zurücktrat. 
Ein Rückblick: Als 2005 der Name des Kardinals und früheren Erzbischofs von München und Freising auf dem Petersplatz verkündet wurde, titelte die BILD-Zeitung „Wir sind Papst“. Als Benedikt zum Weltjugendtag nach Köln kam und später auch seine bayerische Heimat besuchte, waren die Straßen voller jubelnder Menschen. Die Papstbegeisterung im Land schien kein Ende zu nehmen. Die Jesus-Bücher des Papstes wurden Bestseller: Kaum jemand schaffte es, so viel Aufmerksamkeit für die wichtigste Figur des Christentums zu schaffen, wie es Benedikt mit seinen Büchern gelang. Auch seine Enzykliken „Deus Caritas est“ und „Caritas in Veritate“ wurden viel gelesen und nicht nur in Kirchenkreisen lebhaft diskutiert. Doch nicht alles, was der frühere Präfekt der Glaubenskongregation in seinem Pontifikat unternimmt, bleibt unumstritten. Benedikt, der schon bei der Eröffnung des Konklave 2005 vor einer „Diktatur des Relativismus“ warnte, ist ein konservativer Papst. Große Reformen sind nicht seine Sache. Ihm geht es darum, den Glauben zu bewahren. In seiner Amtszeit geht er offen auf den traditionalistischen und zuweilen auch fundamentalistischen Flügel der katholischen Kirche zu. Im Jahr 2007 erlaubt er die Feier der eigentlich abgeschafften lateinischen Messe in der Form, wie sie vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil üblich war, als „außerordentliche Form“ - sein Nachfolger Franziskus sollte diese Entscheidung 2021 indes weitgehend kassieren. Dazu hebt Benedikt 2009 die Exkommunikation der Bischöfe der traditionalistischen Piusbruderschaft auf. Zu einer völligen Aussöhnung ist es freilich nicht gekommen: Dass sich einer der Bischöfe der Bruderschaft, der Brite Richard Williamson, wiederholt als Holocaust-Leugner betätigte, führte schon 2009 zu einem heftigen Skandal, in dessen Folge sich Benedikt, der das Ende des Zweiten Weltkriegs als Flakhelfer erlebte, deutlich vom Antisemitismus distanzierte.

Die Beziehungen Benedikts zum Judentum sollten indes ebenso wie zu den anderen christlichen Kirchen schwierig bleiben. Mit seinem Besuch in der Kölner Synagoge beim Weltjugendtag 2006 war der Bayer zwar der erste Papst überhaupt, der ein jüdisches Gotteshaus besuchte. Und auch sein Besuch im KZ Auschwitz-Birkenau stellte einen Meilenstein darf. Doch immer wieder wurde auch deutlich, dass Benedikt die Ergebnisse des christlich-jüdischen Dialogs der letzten Jahrzehnte kaum zur Kenntnis nahm, etwa als er 2018 den Text „Gnade und Berufung ohne Reue“ veröffentlichte, der sich aus rein binnenkirchlicher Perspektive dem Verhältnis zum Judentum widmete. Ganz ähnlich war es mit den Beziehungen zu anderen Konfessionen: Benedikt XVI. setzte fraglos Zeichen, etwa als er 2011 die Wirkungsstätte des jungen Martin Luther, das Erfurter Augustiner-Kloster, besuchte. Auch die Protestanten als „Kirche“ zu bezeichnen, kam ihm hingegen nicht über die Lippen. Für ihn waren die evangelischen Kirchen stets „kirchliche Gemeinschaften“, wie er es noch als Kardinal in der Erklärung „Dominus Jesus“ deutlich gemacht hatte. Damit fiel der Papst aus Bayern hinter die 1999 veröffentlichte „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ zurück. Benedikt XVI. lebte in einer anderen, der alten Zeit, und nahm neuere Entwicklungen scheinbar kaum zur Kenntnis.

Zunehmend kritisch wird auch Benedikts Rolle im Umgang mit dem sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche gesehen. In die Zeit von Benedikts Pontifikat fällt das Jahr 2010, als sich Betroffene des Missbrauchs am Berliner Canisius-Kolleg den Mut nahmen, ihre Fälle öffentlich werden zu lassen – der Beginn des Missbrauchsskandals in der Heimat des deutschen Papstes. Benedikt veröffentlichte damals strengere Regeln für den Umgang mit Missbrauchstätern, setzte kirchenrechtliche Verjährungsfristen herauf und enthob hunderte Priester ihres Amtes. Man muss ihm zu Gute halten, als Papst die Aufarbeitung begonnen zu haben. Doch mittlerweile ist klar: Als Erzbischof von München und Freising hat auch Joseph Ratzinger Missbrauchstäter gedeckt und nicht immer die schon damals vorgeschriebenen Schritte unternommen. Völlig gefehlt habe bei ihm „die Sorge um die Opfer“, heißt es in einem Gutachten, das das Erzbistum München und Freising kürzlich vorstellte. Nach dessen Veröffentlichung hatte der emeritierte Papst die Vorwürfe der Vertuschung zurückgewiesen und in einem Brief um Entschuldigung gebeten. Doch besonders der Fall des Essener Priesters Peter H., der als Missbrauchstäter nach Bayern versetzt wurde, und dort trotz einer gerichtlichen Verurteilung bis 2010 weiter wirken konnte, belastete den emeritierten Papst. Vor dem Landgericht Traunstein lief zuletzt eine Zivilklage gegen den früheren Papst, die dessen Mitschuld an den Missbrauchstaten feststellen sollte – weil er Peter H. trotz dessen bekannter Vorgeschichte zum Priesteramt in der Erzdiözese München und Freising zugelassen hatte.

Am Ende bleibt deswegen ein zwiespältiges Bild des deutschen Papstes. Klar ist: Benedikt XVI. ging es immer um den Glauben. Der Theologe aus Bayern wollte die Menschen neu an Jesus Christus heranführen und die Kirche bewahren. Doch auch wenn der gebürtige Bayer der erste Papst war, der im sozialen Netzwerk Twitter einen Tweet absetzte: Die Entwicklungen der Moderne haben den als Sohn eines Gendarmen geborenen Joseph Ratzinger zunehmend überfordert. Er blieb zeitlebens ein Konservativer, der in seinem Pontifikat immer mehr an seine Grenzen kam. So mag tatsächlich der 28. Februar 2013 der wichtigste Moment im Pontifikat des Bayern gewesen sein: An diesem Tag erklärte Benedikt seinen Rücktritt vom Papstamt, und zog sich zunächst in die Sommerresidenz Castel Gandolfo und später in das Kloster Mater Ecclesiae zurück. Und setzte damit das Zeichen, dass kein Amt dieser Welt bis zum Lebensenede dauern muss – was auch für künftige Oberhäupter der katholischen Kirche zum Maßstab werden kann.

Autor:

Willi Wild

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