Verfolgte Christen: Die EKD schweigt
Menschenrechte: Einem Staatsgast aus China, wo Christen verfolgt werden, wurde der rote Teppich in die Wittenberger Schlosskirche ausgerollt. Vikare sind empört.
Von Uwe Naumann
Es passierte am 1. Juni an der Schlosskirche Wittenberg, direkt vor Luthers legendärer Thesentür: Der Vorplatz und die Kirche werden gesperrt, ein roter Teppich wird zur Kirche hin ausgerollt, chinesische Staatsflaggen aufgestellt: Sachsen-Anhalts Ministerpräsident empfängt an den »Toren der Freiheit« den Vizepräsidenten der Volksrepublik China. Und das vor dem Hintergrund, dass laut Hilfswerk »Open Doors« in China Christen verfolgt und unterdrückt werden.
Für fünfzehn Vikare des evangelischen Predigerseminars, das direkt an die Schlosskirche grenzt, ist diese »Vereinnahmung kirchlichen Raums als Kulisse politischer Inszenierung« zuviel. Sie empören sich in einem Offenen Brief. »Wir wussten einen Tag vorher von dem Empfang«, erzählt Sebastian Kreß, Vikar in Reichenberg und Moritzburg und derzeit zu einem Ausbildungskurs am Predigerseminar Wittenberg. Deshalb hatten die angehenden Pfarrer schon vorher mit Kreide ihren Protest gegen die Christenverfolgung auf Englisch vor Luthers Thesentür geschrieben: »Beenden Sie die Verfolgung unserer Brüder und Schwerstern!« Doch beim Staatsempfang wird der Schriftzug vom roten Teppich elegant verdeckt. Ein gleichlautendes Banner, das aus der Etage des Predigerseminars hängt, wird von der Polizei entfernt. Schließlich formulieren die Vikare ein Schreiben an die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Darin heißt es: »Staatsflaggen gehören nicht vor die Kirchentür! (…) In einem Gotteshaus ist jede und jeder willkommen. Keinem Menschen gebührt es, dafür extra einen roten Teppich ausgerollt zu bekommen! (…) Wir halten das schweigende Übergehen der Menschenrechtsverletzungen in China durch Repräsentanten von Kirche und Politik für unverantwortlich!« Kritisch fragen sie auch das Vorgehen der Polizei an.
Auf Nachfrage heißt es von der EKD, dem Eigentümer der Schlosskirche, dass man grundsätzlich nicht öffentlich Stellung zu solchen Schreiben nehme. Der Platz vor der Kirche gehöre der Stadt, nicht der Kirche, erklärt Jörg Bielig, Kustos vom Predigerseminar. Die Ausbildungsstätte habe deshalb das Hausrecht nur in der Kirche, aber keinen Einfluss auf rote Teppiche oder Flaggen davor. Die Meinungsfreiheit der Vikare habe man nicht einschränken wollen, so Bielig. Auch der Offene Brief und die darin enthaltene Kritik sei seiner Meinung nach in Ordnung.
Dass schließlich das kritische Banner vom Fenster durch die Polizei abgenommen wurde, liege »an der fehlenden Absprache der Urheber mit uns«, so Gabriele Metzner, stellvertretende Leiterin des Predigerseminars. Sie selbst sei von der Polizei gefragt worden, ob es entfernt werden dürfe. Und sie habe »in der Hektik und ohne zu wissen, von wem und was darauf steht« zugestimmt.
In der Sache aber stehe sie hinter dem Offenen Brief, betont sie. Dabei hatte Gabriele Metzner selbst den Staatsgast aus China durch die Schlosskirche geführt, ans Grab des Reforma-tors. »Ich habe den Gast auf die Reformation als Befreiungsbewegung hingewiesen, auch auf die Thesentür als Tor der Freiheit«, sagt sie. »Aber ich kann keine öffentlichen Worte der Kritik an ihn richten«, verteidigt sie, warum auf die Menschenrechtsverletzungen in China nicht hingewiesen wurde. Einen Tag später, ergänzt Metzner, hätten die Vikare in der Schlosskirche eine Fürbitte für verfolgte Christen gehalten.
Autor:Online-Redaktion |
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