Aufrüstung
Ist die Bergpredigt noch zeitgemäß?

Rückblick: Im Februar 2003 demonstrierten in der Leipziger Innenstadt erneut mehr als zehntausend Menschen gegen einen drohenden Irak-Krieg und für eine friedliche Lösung des Konflikts . Zuvor hatten in der überfüllten Nikolaikirche rund 1.000 Menschen an dem traditionellen Friedensgebet teilgenommen. Unter dem Motto "Der Frieden ist unser Weg" warb der Pfarrer Christian Führer für eine "Abkehr vom Kriegsdenken". Anknüpfend an die Montagsdemonstrationen von 1989 bewegte sich der Demonstrationszug durch die Innenstadt. Die mitgeführten Plakate und Transparente trugen Aufschriften wie "Schwerter zu Pflugscharen", "Kein Krieg, keine Unterstützung" oder "Kein Blut für Öl" und "Waffeninspektoren in die USA".  | Foto:  epd-bild/Kai Uwe Hündorf
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  • Rückblick: Im Februar 2003 demonstrierten in der Leipziger Innenstadt erneut mehr als zehntausend Menschen gegen einen drohenden Irak-Krieg und für eine friedliche Lösung des Konflikts . Zuvor hatten in der überfüllten Nikolaikirche rund 1.000 Menschen an dem traditionellen Friedensgebet teilgenommen. Unter dem Motto "Der Frieden ist unser Weg" warb der Pfarrer Christian Führer für eine "Abkehr vom Kriegsdenken". Anknüpfend an die Montagsdemonstrationen von 1989 bewegte sich der Demonstrationszug durch die Innenstadt. Die mitgeführten Plakate und Transparente trugen Aufschriften wie "Schwerter zu Pflugscharen", "Kein Krieg, keine Unterstützung" oder "Kein Blut für Öl" und "Waffeninspektoren in die USA".
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Heinz Bächer ist seit Ende der 1970er-Jahre in der Friedensarbeit aktiv und seit über zehn Jahren im Jenaer Friedenskreis engagiert. Beatrix Heinrichs sprach mit dem Pfarrer i. R. und langjährigem Klinikseelsorger über das neuerliche Aufrüsten und die Kraft der Bergpredigt.

Die US-amerikanische Regierung stellt gerade die globale Nachkriegsordnung infrage. Europa antwortet mit Aufrüstung und der Absicht, eine eigene Verteidigungsstrategie zu etablieren. Weckt das Erinnerungen an den Kalten Krieg?
Heinz Bächer: Ich kann mich gut daran erinnern, als es um den Nato-Doppelbeschluss ging, Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre, und um die Stationierung von russischen SS-20-Raketen auf dem Gebiet der damaligen DDR. Das hat uns in den Gemeinden und Kreisen hier schon sehr bewegt. Wir haben uns damals stark damit auseinandergesetzt. Das waren intensive Diskussionen. Aber es ist schwierig, die Situation jetzt mit dem Kalten Krieg zu vergleichen. Was man aber auch sehen muss: Als der Krieg gegen die Ukraine begann, sind die Aktien bestimmter Rüstungskonzerne in die Höhe geschossen. Das passiert gerade wieder. Daraus lässt sich nur schlussfolgern, dass es Interessengruppen gibt, die stark an dem Thema Aufrüstung interessiert sind.

Heinz Bächer | Foto: UKJ/Heiko Hellman

Wie werden die aktuellen Entwicklungen in den Friedenskreisen diskutiert?
Unser Jenaer Friedenskreis trifft sich nicht jede Woche. Aber nach allem, was ich höre, schütteln viele, die in der Friedensarbeit engagiert sind, gerade einfach nur die Köpfe. Plötzlich wird in Deutschland und in der EU wieder über atomare Abschreckung, Waffenkäufe und Wehrpflicht diskutiert und diese Milliarden-Programme stehen im Raum. Das geht überhaupt nicht aus unserer Sicht. Zumal auch mit den völlig falschen Begriffen hantiert wird. Da ist die Rede von einem Sondervermögen. Tatsächlich ist das ein Schuldenberg, der da aufgebaut wird. Mich lähmt das, ehrlich gesagt, dass die politische Situation in einer solchen Rüstungsspirale mündet.

Inwieweit aber ist eine Position, die sich gegen Aufrüstung oder Waffenlieferungen ausspricht, jetzt noch zeitgemäß?
Wenn Sie so fragen, müssen Sie erst einmal definieren: Was heißt eigentlich zeitgemäß? Als Theologe kann ich nur eine Gegenfrage stellen: Ist denn die Bibel zeitgemäß? Ist es noch zeitgemäß, was uns die Bergpredigt lehrt? Nämlich: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.

Was ist Ihre Antwort darauf?
Es gilt zu überlegen, von welcher Grundeinstellung aus man an die Problematik herangeht: Wie gehen wir mit unseren Feinden um, wie kommen wir mit ihnen ins Gespräch? Da gibt es verschiedene Wege. Den einen beschreibt Jesus in der Bergpredigt, und den halte ich für richtig. Das Gebot der Feindesliebe zu befolgen ist alles andere als eine leichte Sache. Da lässt sich auch nichts schön- oder kleinreden. Aber die Logik dahinter impliziert ja, dass es um Deeskalation geht. Das ist ein anderes Denken als wir es jetzt sehen. Es gibt diesen Vers von Bertha von Suttner, an den ich zuletzt immer wieder denken musste: „Rache und immer wieder Rache! Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegwaschen zu wollen. Nur Blut, das soll immer wieder mit Blut ausgewaschen werden.“ Genau das ist das System, das uns immer wieder in die Sackgasse führt. Insofern denke ich, dass alle Schritte, die deeskalierend wirken, auch ergriffen werden sollten.

Es gibt in der Geschichte Beispiele dafür, wo Deeskalation sehr wohl zum erhofften Ziel geführt hat. Was lässt sich aus der Friedensbewegung der DDR für die aktuellen Herausforderungen lernen?
Da muss man differenzieren. Die Situation in der DDR war eine andere als heute. Auch damals schon gab es keine einheitliche Meinung in der Friedensbewegung. Aber wir hatten die Friedensseminare, in denen es darum ging, den Geist der Bergpredigt unter die Menschen zu tragen. Uns allen war klar: Es geht nur ohne Gewalt. Auch wenn wir die Idee der Gewaltfreiheit nicht erfunden haben. Vor uns gab es andere Befreiungsbewegungen: Martin Luther King in den USA oder Mahatma Gandhi in Indien. Wir waren damals noch sehr jung, aber ihre Schriften haben wir gelesen und diskutiert.

Welche Lektüre empfehlen Sie der Jugend heute?
Die Bergpredigt natürlich – möglichst mit einer guten Auslegung. Und eine US-amerikanische Studie von Erica Chenoweth und Maria J. Stephan, die untersucht, warum ziviler Widerstand funktioniert. Die Wissenschaftlerinnen haben weltweite Konflikte aus den vergangenen über 100 Jahren analysiert – und festgestellt, dass die Auseinandersetzungen, die gewaltfrei gelöst werden konnten, einen länger währenden Frieden schafften.

Tipp: Der Theologe Eugen Drewermann spricht am 1. April, 19 Uhr, in der Friedenskirche Jena zum Thema "Nur durch Frieden bewahren wir uns selber. Die Bergpredigt als Zeitenwende”. Der Eintritt ist frei.

Rückblick: Im Februar 2003 demonstrierten in der Leipziger Innenstadt erneut mehr als zehntausend Menschen gegen einen drohenden Irak-Krieg und für eine friedliche Lösung des Konflikts . Zuvor hatten in der überfüllten Nikolaikirche rund 1.000 Menschen an dem traditionellen Friedensgebet teilgenommen. Unter dem Motto "Der Frieden ist unser Weg" warb der Pfarrer Christian Führer für eine "Abkehr vom Kriegsdenken". Anknüpfend an die Montagsdemonstrationen von 1989 bewegte sich der Demonstrationszug durch die Innenstadt. Die mitgeführten Plakate und Transparente trugen Aufschriften wie "Schwerter zu Pflugscharen", "Kein Krieg, keine Unterstützung" oder "Kein Blut für Öl" und "Waffeninspektoren in die USA".  | Foto:  epd-bild/Kai Uwe Hündorf
Heinz Bächer | Foto: UKJ/Heiko Hellman
Autor:

Beatrix Heinrichs

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