Umgang mit Kirchenfernen
Ungebildet, rückständig, konfessionslos

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 von Andreas Fincke

Die EKD hat in diesen Tagen einen Text zur Konfessionslosigkeit veröffentlicht. Eine Arbeitsgruppe fragt, wie die zunehmende Distanz vieler Menschen zu den Kirchen zu verstehen sei und wie die kirchliche Bildungsarbeit auf die Herausforderungen reagieren könnte. Um es vorweg zu sagen: Es ist gut, dass die EKD sich diesem wichtigen Thema zuwendet. Besser spät als gar nicht.
Aber dennoch hinterlässt mich die Lektüre ratlos. Zwar stehen in dem Büchlein allerlei Richtigkeiten, aber den Text durchzieht eine unerträgliche Attitüde der Besserwisserei. Die Autoren haben nicht erfasst, was Konfessionslosigkeit ist. Die rasant steigende Zahl von Konfessionslosen – wir reden immerhin von einem Drittel der Einwohner Deutschlands – sind eben nicht irgendwelche Leute, die den Gottesdienst mal eben verschlafen und zum Lesen der Bibel zu faul sind. Überwiegend haben sie kein Interesse an Kirche und Religion. Überhaupt keines. Zugleich führen diese Menschen, in Städten wie Magdeburg sind es mehr als 90 Prozent der Einwohner, ein gutes, ehrbares und sinnvolles Leben. Das ist die Pointe der (ostdeutschen) Konfessionslosigkeit. Das gäbe es theologisch zu deuten! Welche Werte haben die sogenannten Konfessionslosen? Welche Hoffnungen erfüllen sie? Ist ein Leben ohne Kirche vielleicht sogar – leichter? Wo finden unsere Nachbarn Halt und Orientierung? Noch nie in der Menschheitsgeschichte gab es eine solche radikale Abwesenheit von Spiritualität als kulturellen Normalzustand.
Doch was macht der EKD-Text? Er behandelt die Konfessionslosen als Objekte der Bildungsarbeit. Als müsste man ihnen nur Bildung bringen, dann würden sie sich den Kirchen zuwenden. Um es noch deutlicher zu sagen: Der Text behandelt die Konfessionslosen als die Ungebildeten. Als jene, die hinterm Mond leben. Dabei könnte man beispielsweise von der Arbeitsweise im interreligiösen Dialog vieles lernen. Im interreligiösen Dialog versuchen wir, in die Haut des Andersglaubenden zu schlüpfen, ihn zu verstehen, ein wenig wie er zu denken.
Schade, dass mal wieder keiner die Kirchenfernen ernst nimmt. Wer, wie oben beschrieben, selbstverliebt und besserwisserisch an die Konfessionslosen herantritt, wird sie nie verstehen und schon gar nicht erreichen.
Manchmal frag ich mich: Wer lebt eigentlich wirklich hinterm Mond?

Der Autor ist Hochschulpfarrer und Leiter der Evangelischen Stadtakademie in Erfurt.

EKD (Hg.): Religiöse Bildung angesichts von Konfessionslosigkeit – Aufgaben und Chancen,
Evangelische Verlagsanstalt, 149 S., ISBN 978-3-374-06326-0, 8 Euro

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Online-Redaktion

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