Rezension
Homolka über Israels Frieden zwischen Schrift und Staat

Homolka, Walter: Krieg und Frieden im Judentum. Patmos Verlag. 160 Seiten. ISBN: 978-3-8436-1587-7. 18 Euro. | Foto: Patmos
  • Homolka, Walter: Krieg und Frieden im Judentum. Patmos Verlag. 160 Seiten. ISBN: 978-3-8436-1587-7. 18 Euro.
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In seinem neuen Buch wirft Rabbiner Walter Homolka einen Blick auf die Friedensphilosophie des Judentums und gestattet ungewohnte, tiefe Einblicke in Entwicklungen des jüdischen Selbstverständnis´.

Von Paul-Philipp Braun

Während diese Rezension erscheint, befindet Israel sich im Krieg. Seit dem 7. Oktober 2023 ist in dem Staat in Vorderasien nichts mehr, wie es einmal war. Der Überfall der Hamas auf das Supernova-Festival, das Massaker von Reʿim, zahlreiche Grausamkeiten nahen Kibbuzim, aber auch die Reaktion des Staates Israel und seiner Staatsgewalt änderten den Verlauf der Welt. Doch in welchem Verhältnis steht das Judentum und der Krieg, in welchem Verhältnis stehen das jüdische Volk und der Frieden?
In seinem neuen Buch Krieg und Frieden im Judentum setzt sich Walter Homolka damit auseinander. Wenngleich Homolka aufgrund verschiedener und inzwischen entkräfteter Anschuldigungen seine Stellung als Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs aufgeben musste, ist seine wissenschaftliche Expertise unbestritten.

Mit genau dieser Expertise widmet Homolka sich auf den 121 Seiten, plus ausführlicher Bibliografie, der Frage nach Krieg und Frieden. Oder besser: Er seziert das Judentum und die Schrift auf der Suche nach Antworten zu deren Verhältnis. Dabei beginnt das Buch schon in seiner Einleitung mit Psalm 34,15 – der Jahreslosung aus 2019. „Vom Bösen lass ab und tue Gutes, such Frieden und jag im nach“, zitiert Walter Homolka aus der Hebräischen Bibel in revidierter Übersetzung von Rabbiner Ludwig Philippson. Und genau dieses Nachjagen versucht auch der Autor im 2025 erschienenen Sachbuch.

Chronologie und dezidierte Quellenverweise

Chronologisch arbeitet er sich dabei vor, beginnend bei der Frage nach einem Gerechten Krieg, über die Auslegungen der Tora bis hin zu den Denkern der Jüdischen Moderne wie Leo Baeck oder Samson Raphael Hirsch. Dabei zitiert Homolka immer wieder Rabbiner und Wissenschaftler. Er definiert mit ihnen den Begriff des Shalom und zeigt schon zu Anfang die enge Verbindung der semitischen Sprachen und zwischen den Zeilen auch das lange Zeit friedliche Miteinander der Mittelmeerkulturen. Wer sich durch das bisweilen sehr akademische Werk mit seinen insgesamt 248 Quellenverweisen liest und auf Seite 112 ankommt, für den ist klar: Das Judentum ist eine absolute Friedensreligion.

Homolka gestattet Exkurse zum Tierfrieden, betrachtet den Chassidismus und zitiert immer wieder aus dem Talmud. Die Quintessenz: Es geht in der jüdischen Religionsphilosophie und den Auslegungen der Schriften immer wieder darum, dem Frieden nachzujagen. Mit Seite 12 verändert sich diese Grundlage. Die Entstehung des Staates Israel als Primus inter Pares führt zu einem Versuch, den Staat des jüdischen Volkes wehrhaft zu machen. Und auch wenn Walter Homolka die Doktrin der Israelischen Armee (IDF) mit ihrem Aufruf zu Menschlichkeit und Menschenwürde zitiert, er versucht  die Frage nach dem Gerechten Krieg zwischen den Zeilen weiter zu stellen und zu fassen.

Doktrin und Wirklichkeit: Friede statt Krieg

Immer wieder scheint diese innere Auseinandersetzung des Autors durch sein Werk zu blitzen, erstaunlich wenig ist in dem Buch vom Krieg die Rede, erstaunlich viel betont Homolka die Friedfertigkeit des Judentums, die Aufrufe der Gelehrten und bisweilen das Ignorieren dieser Aufrufe durch die Anhängerinnen und Anhänger. Dass ausgerechnet das Letzte Kapitel mit dem Zitat „Frieden ist die einzige Option“ überschrieben ist, erscheint daher nur folgerichtig. Wer also den Frieden im Judentum sucht, dem sei dieses Buch aufrichtig ans Herz gelegt.

Und dennoch muss nun, im vorletzten Absatz dieser Rezension, auch noch einmal ein kleiner Spritzer Wasser in den Wein gegossen werden. Obwohl die religiösen, halachischen und philosophischen Diskurse des Autors ihre Berechtigung haben, bleibt die Frage, inwiefern die im Buch wiederholt thematisierte Nation bzw. das Nationale im Kontext des Volkes Israel bereits lange vor der Staatsgründung als solche begriffen werden können. Auch die von Homolka auf 1948 gelegte und so benannte Wiedererstehung des Staates Israel ist vor dem geschichtlichen Hintergrund der eigentlichen Staatsgründung durch David Ben-Gurion mindestens fragwürdig. Aber Walter Homolka ist Professor für Jüdische Religionsphilosophie und kein Politikwissenschaftler und so lassen sich derartige Schnitzer, wenngleich bemerkenswert, vor dem Gesamtwerk und seinen tiefen Einblicken in die Friedens- und Kriegsdebatte leichter verzeihen.

Zu hoffen ist, dass das Buch nicht nur bei den Friedfertigen Anklang findet, sondern auch jene zum Denken anregt, deren Lösung des Nahost-Konflikts mit Menschenverachtung und Angriffen auf Zivilbevölkerung (aller Seiten) einhergeht. Für sie ist Krieg und Frieden im Judentum wie gemacht und bietet ein Kompendium an Thesen und Auslegungen, das sonst nur schwer zu finden ist.

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Autor:

Paul-Philipp Braun

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