Rezension
Schule der Demokratie

Christen hatten es seit Gründung der DDR oft nicht leicht, ihre Religion auszuüben. Der sehr umfangreiche Band, dem eine vom Freistaat Thüringen unterstütze Tagung in der Universität Jena im Jahr 2021 zugrunde liegt, erlaubt nun neue Einblicke in das Spannungsfeld von Militarisierung, Widerstand und staatlichen Gegenmaßnahmen.

von Berthold Schäffner

Besonders anschaulich wird auf die kirchliche Haltung zu Bausoldaten, Totalverweigerern und der obligatorischen Wehrerziehung in der Schule eingegangen.
  
Grundsätzlich galt, dass Christen der atheistischen Staatsideologie kritisch gegenüber standen. Das Verhältnis war angespannt und ambivalent. Die Kirchen übten einerseits Protest, setzten aber hinter verschlossenen Türen auf Verhandlungen, um ihre Handlungsmöglichkeiten zu bewahren.

Dies wird am „Weg einer Kirche im Sozialismus“ in Thüringen deutlich. Es galt, den inneren Zerfall der Kirchengemeinden zu stoppen, Jugendarbeit zu leisten, eine Art Schutzraum für Oppositionelle zu bieten und einen Freiraum zu schaffen, in dem auch die eigene Meinungen geäußert werden konnte – quasi eine "Schule der Demokratie“ zu sein. Für die SED blieb die Landeskirche dennoch der „Feind“, wie aus dem Diensthandbuch für MfS-Mitarbeiter zitiert wird. Gleichwohl gab es kirchliche Mitarbeiter und Würdenträger, die den Staat als IM unterstützten.

Der Band wirft auch einen Blick auf Freikirchen und christliche Sondergemeinschaften, insbesondere auf die Zeugen Jehovas, die 1950 verboten wurden. Abgerundet wird die Publikation durch ein Interview mit dem Theologen und Bürgerrechtler Rainer Eppelmann über seine Erfahrungen als Bausoldat. Zeitzeugen, Fallbeispiele und Auszüge aus Stasi-Akten machen deutlich, wie beschwerlich das Leben in der DDR-Diktatur war.

Spehr, Christopher u. Lehmann, Roland M. (Hrsg.): Diskriminierung von Christen in der DDR. Band 1: Militarisierung und Widerstand in den 1960er Jahren. Vandenhoeck & Ruprecht, 357 S., ISBN 978-3-525-50012-5; 110,00 Euro

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