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Buchtipp
Vorposten des Glaubens

Selbst vor der Mönchrepublik Athos macht Corona nicht halt: Auf Beschluss der Äbte ist der »heilige Berg« für Besucher geschlossen. Wer dennoch die Atmosphäre dieses einzigartigen Ortes erleben möchte, sollte sich Robert Byrons klassisches Reisebuch von 1928 vornehmen, das gerade unter dem Titel »Der Berg Athos« in einer wunderschönen Ausgabe der Anderen Bibliothek erschienen ist. Im Jahre 1928 reiste Robert Byron (1905–1941), übrigens kein Nachfahre des berüchtigten Lord Byron, mit seinen Freunden Mark Ogilvie-Grant, David Talbot-Rice und Gerald Reitlinger auf den Athos, um dort Fresken, Ikonen und andere Kunstwerke zu fotografieren. In einer Zeit, in der sich die meisten westlichen Gelehrten lieber mit der Antike befassten, begeistern sich diese jungen Briten für byzantinische Kunst. Und die bekommen sie in den Klöstern in überwältigender Fülle zu sehen.
Dafür nehmen die Pioniere der Byzantinistik einiges in Kauf, die Hitze, die verwanzten Betten und, nicht zu vergessen, den in aller Regel abscheulichen Fraß, der den Gästen der Klöster traditionell vorgesetzt wird. Allerdings bestehen, wie die drei Reisenden feststellen, in Betreff der Kulinarik und der Hygiene zwischen den Klöstern gravierende Unterschiede. Byron beschreibt die athonitischen Zustände mit spöttischer Herablassung, die aber von der geradezu unbarmherzigen Selbstironie mehr als aufgewogen wird, mit der er jedes Missgeschick, das den Briten widerfährt, ausführlich schildert. Schließlich macht er aus seiner Sympathie für die gastfreundlichen Mönche keinen Hehl; mit einigen verbindet ihn bald eine innige Freundschaft. Mit Abscheu beschreibt er dagegen das Gehabe eines anglikanischen Geistlichen, der sich, ohne ein Wort Griechisch zu sprechen, über die vermeintliche Rückständigkeit seiner orthodoxen Gastgeber lustig macht.
So recht entfaltet sich Byrons erzählerisches Talent aber in seinen Landschafts- und Kunstbetrachtungen, etwa wenn er die Fresken in der Kapelle des Heiligen Georg im Pauluskloster beschreibt: »dieses kalte Blau und das Weinrot, die oliv angehauchten Gelbtöne, und das reine, klare Grün aus den Tiefen des Meeres – erleuchtet von wütendem Glanz, geometrisch in der Form, aber in der Strenge mitfühlend und in der Stärke sanft.« Byron fasst seine Ergriffenheit in Worte, die uns Leser mitreißen und für diese Kunst zu begeistern vermögen, die wir selbst gar nicht vor Augen haben.
Ein gläubiger Mensch ist Byron sicherlich nicht gewesen, aber er lässt sich sehr wohl ein auf die orthodoxe Spiritualität mit ihren endlosen Liturgien und Meditationen: »Immer und immer wieder, Hunderte und Tausende Male, stieg das Kyrie eleison, anfangs tief und gedämpft, in unendlicher Vielfältigkeit in der Vorahnung auf den bevorstehenden Triumph die Tonleiter hinauf – um dann zu ersterben und von neuem zu beginnen.« Und so erhalten auch wir Leser einige unvergessliche Einblicke in die Welt des orthodoxen Christentums und den heiligen Berg Athos, den, wie es am Schluss heißt, »Vorposten des Glaubens, auf dem die Zeit stillsteht.«

Olaf Schmidt

Byron, Robert: Der Berg Athos, Reise nach Griechenland, Die Andere Bibliothek, 408 S.
ISBN 978-3-8477-0422-5, 44 Euro

Autor:

Online-Redaktion

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