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Zwischen allen Stühlen: Christen im Heiligen Land

Bethlehem – auch zu diesem Weihnachtsfest ist die Geburtsstadt Jesu von Nazareth weltweit in aller christlicher Munde.

Blickwechsel von Stefan Seidel

Jeder weiß, dass der Erlöser dort geboren wurde und sich ein Welten bewegendes Ereignis zwischen Himmel und Erde abgespielt hat. Aber kaum einer weiß, wie es den Christen dort heute geht.
Beim Blick auf das von Israelis und Palästinensern bewohnte Heilige Land werden oft nur zwei Parteien wahrgenommen: Juden und Muslime. Doch seit Anbeginn leben in diesem Geburtsland des Christentums auch Christen – palästinensische Christen. Heute beläuft sich ihre Zahl auf rund 170 000, aufgeteilt auf zahlreiche Denominationen – diesseits und jenseits der Grünen Linie zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten.
Obwohl Christen nur einen Anteil von etwa einem Prozent an der palästinensischen Gesellschaft haben, ist ihre Bedeutung groß. Nicht nur, dass sie zentrale heilige Stätten in Bethlehem oder Jerusalem pflegen. Auch bekleiden sie oft hohe Ämter in der palästinensischen Regierung und prägen einen Teil der Kultur. Prominente Palästinenser, wie der Autor und Musiker Edward Said oder der Maler Sliman Mansour, sind Christen. Ein Drittel der Krankenversorgung in Palästina leisten christliche Einrichtungen.
Doch die Christen sitzen zwischen allen Stühlen, wie der Autor und Pilgerführer Johannes Zang in seinem Buch »Begegnungen mit Christen im Heiligen Land« schreibt. Obwohl sie so viele Kirchen betreiben und so viele Pilger ins Land locken, werden die Christen kaum geachtet. Von Israel werden sie als Palästinenser behandelt – und allzuoft benachteiligt. Und von der muslimischen Mehrheitsgesellschaft werden sie in den vergangenen Jahren auch zunehmend kritischer beäugt, es kommt immer wieder zu Gewaltausbrüchen.
Die Christenheit im Heiligen Land sei vielfach verwundet, schreibt Zang und kritisiert vor allem die beschwerliche Lage der Palästinenser infolge der mittlerweile 50 Jahre andauernden israelischen Militärbesatzung. »Da ist die sichtbare, blutige Besatzung und der blutige Kampf gegen sie – mit Toten und Verletzten, seelischen und körperlichen Krüppeln. Da ist die sichtbare, unblutige Besatzung – mit Kontrollpunkten und Straßensperren aller Art, mit Landenteignung und dem System der Passierscheine. Zum Dritten gibt es die weitgehend unblutige Besatzung – dazu gehören das Zurückhalten von Steuereinnahmen, die Lähmung des Bankenverkehrs (…).« Auch Bethlehem ächzt unter der Besatzung. Der lutherische Pfarrer von Jesu Geburtsstadt, Mitri Raheb, sagt: »Bethlehem, die Wiege der Christenheit, ist zu einem großen Gefängnis geworden.«
Trotzdem bietet die Begegnung mit Christen im Heiligen Land eine große Chance. Von ihnen kann der Pilger einen differenzierten Blick auf die Geschichte und Gegenwart des Landes gewinnen. In ihren Gottesdiensten lebt zum Teil die Tradition der Urchristen weiter. Und in christlichen Einrichtungen, wie dem Begegnungszentrum in Bethlehem, kann man etwas über die spannende kulturelle Prägung palästinensischer Christen erfahren.
Johannes Zang hat einen ungemein aufschlussreichen Reiseführer der anderen Art geschrieben. Hier finden sich zahlreiche »Geheimtipps« für christliche Pilger – Orte und Begegnungsmöglichkeiten jenseits der bekannten Touristenpfade. Insbesondere Reiseleiter sowie Interessierte, die einen neuen Blick auf das Heilige Land werfen möchten, werden von diesem Buch profitieren.

Zang, Johannes: Begegnungen mit Christen im Heiligen Land. Ihre Geschichte und ihr Alltag, Echter Verlag 2017, 144 Seiten, 14,90 Euro
Bezug über den Buchhandel oder den Bestellservice Ihrer Kirchen­zeitung: Telefon (0 36 43) 24 61 61

Autor:

Adrienne Uebbing

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