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Kirche kann das!
Der Journalist und Politologe Christian Walther hat ein erstaunliches Dokument zu Tage gefördert. Das Filmmaterial, das fast 35 Jahre unentdeckt im Archiv des NDR schlummerte, zeigt eine Veranstaltung im Französischen Dom am 9. November 1989, dem Abend des Mauerfalls.
Von Willi Wild
Die Besonderheit ist nicht, dass sich in der Ostberliner Kirche Menschen getroffen haben, während andere auf dem Weg in den Westteil der Stadt waren. Hier begegneten sich ganz unterschiedliche Gruppen, SED, Blockparteien und oppositionelle Bürgerbewegung, um sich respektvoll und wertschätzend anzuhören, was der jeweils andere zu sagen hat.
Da wurden Ideen und Visionen vorgetragen und diskutiert, wie der Demokratieprozess in der DDR entwickelt werden könnte. Der Pankower Superintendent Werner Krätschell, Spiritus Rector des Abends, betonte, dass es nicht um Parteien, sondern um die Menschen im Lande gehe. "Darum fände ich es unfair, wenn sich die Falschen davorspannen. Es kommt darauf an, diejenigen zu erkennen, die dieses Land und die Menschen lieben."
Wie aktuell doch dieser Hinweis in diesen Tagen erscheint, wo sich die in den Landtagen vertretenen Parteien in Sachsen und Thüringen zu Sondierungsgesprächen treffen und um regierungsfähige Mehrheiten bemühen.
Vor 35 Jahren spielten die Kirchen nicht nur als Versammlungsorte eine wichtige Rolle. Ihre Vertreter waren Vermittler zwischen scheinbar unüberwindbaren Fronten. Die Veranstaltung im Französischen Dom war ein Demokratie-Lehrstück im Raum der Kirche. Kirche kann das! Und wir sind gut beraten, uns in Ost und West daran ein Beispiel zu nehmen, um die Spaltung in unserer Gesellschaft zu überwinden.
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Autor:Online-Redaktion |
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