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Judenhass in der Klimabewegung
Jung, grün – und antisemitisch

Sie sind jung, halten sich für progressiv und wollen die Welt besser machen. Sie engagieren sich in Bewegungen mit einem emanzipatorischen Selbstbild, wie der Klimabewegung, wo sie teils mit lautstarken Aktionen auffallen. Kaum aber bekannt ist, dass in Teilen der Klimabewegung Boykottkampagnen gegen den jüdischen Staat proklamiert werden.

Von Thomas Klatt

Beim Kampf für Klimagerechtigkeit werden alte antisemitische Mythen neu belebt. Das Buch „Judenhass Underground, Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen und Bewegungen“ deckt erschreckende Zusammenhänge auf.

Zusätzliche Brisanz hat das Buch seit dem Angriff der Hamas auf Israel bekommen: Greta Thunberg verurteilte nach dem 7. Oktober in einem Internet-Post nicht den Terror der Hamas, sondern rief zur Solidarisierung mit Gaza auf. Das von ihr in den sozialen Medien verbreitete Bild zeigt „Free Palestine“- oder „Stand with Gaza“-Schilder sowie eine Stoffkrake, die als Symbol einer vermeintlichen jüdischen Weltverschwörung gedeutet werden kann. Hinzu kamen Tweets von „Fridays for Future International“, die westlichen Medien Gehirnwäsche vorwarfen. Israel wurde als „Apartheid-System“ bezeichnet und der Konflikt in Gaza „Genozid“ genannt.

„Fridays for Future International" behaupte zwar, im Namen der ganzen Klimabewegung zu sprechen. Tatsächlich steckten hinter den fragwürdigen Aussagen aber nur wenige Menschen mit einer antiisraelischen Position, sagt Nicholas Potter, Mitarbeiter der Amadeu Antonio Stiftung. Die Folge: "Das kapert quasi die Klimabewegung für Israelhass.“ Potter ist Mitherausgeber von „Judenhass Underground“ und hat recherchiert, dass sich viele junge Klima-Aktivisten zum ersten Mal eine Meinung zu Israel und Palästina bilden – vor allem in und über die sozialen Medien. Junge Menschen in der Klimabewegung weltweit würden aber genau diese antisemitischen Posts lesen und so beeinflusst werden.

So gibt es nicht erst seit dem 7. Oktober Aufrufe zur „Klimaintifada“ und Untergruppen, die sich „Fridays for Palestine“ nennen. Über die sozialen Medien verbreiten sie antisemitische Stereotype. So zum Beispiel, dass die Klimakrise Palästinenser „unverhältnismäßig stark“ betreffe. Oder, dass Israel „Leben vergiftet" im Gazastreifen, indem es für die Verunreinigung des Trinkwassers verantwortlich sei – eine Neufassung des mittelalterlichen antisemitischen Stereotyps des jüdischen Brunnenvergifters.


"In manchen links geprägten Bewegungen gehört es immer mehr zum Grundkonsens, dass man den jüdischen Staat vollkommen ablehnen muss. Das ist gefährlich"

Potter erklärt dieses Phänomen so: „Viele Leute kommen in diese junge Bewegung, die vielleicht schon woanders aktiv waren. Sie bringen die Themen mit, mit denen sie schon vorher beschäftigt waren. Und das kann zum Beispiel auch ein sehr antiimperialistisches Weltbild sein, das Israel als das ultimativ Böse in der Welt darstellt und dem jüdischen Staat seine Daseinsberechtigung abspricht.“

Der Antisemitismus innerhalb der Klimabewegung ist kein einmaliges Phänomen, und nicht alle Aktivisten sind jung und unerfahren. Roger Hallam etwa, Mitgründer von Extinction Rebellion, ist Mitte 50. Der Brite ist durch viele Aussagen aufgefallen, die als geschichtsrelativierend empfunden wurden. So sagte er, dass die Shoah „just another fuckery in human history“ sei, also nur ein weiterer Scheiß der Menschheitsgeschichte. Eine Aussage, die an die Worte des AfD-Spitzenpolitikers Gauland erinnert.

Hinzu kommt der vermeintliche Gerechtigkeitskampf für den „globalen Süden“. Spätestens seit dem Antisemitismus-Skandal auf der „documenta 15“ müsse gefragt werden, wer oder was das genau sei, sagt Buchmitherausgeber Stefan Lauer. „Diese Trennung in den globalen Süden und den Norden ist ein Rückschritt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war dieses antiimperialistische Denken aufgebrochen worden." Man habe gesehen, dass die Rollen innerhalb von Gesellschaften unterschiedlich verteilt sind, die Situationen komplex seien. Nun aber werde wieder plump in Gut und Böse unterteilt: Alle Juden sind Unterdrücker und böse, alle Palästinenser sind Unterdrückte und gut. Fatal sei, dass solche Narrative auch in der Klimabewegung um sich greifen. Nikolas Lelle hat einen Artikel über den israelbezogenen Antisemitismus in den links-progressiven Subkulturen beigetragen. Israelhass gehöre in bestimmten Szenen wieder zum guten Ton, sagt er. "Wenn man sich als progressiv versteht, wird es immer mehr normal, dass man Israel ablehnt."

"Fridays for Future Deutschland" versucht gegenzusteuern. Man biete Seminare zu Israel und dem Nahostkonflikt an und arbeite mit Jüdischen Gemeinden zusammen, um antisemitische Narrative aufzudecken. Schon im Januar 2023 verwies eine Sprecherin darauf, dass man die Antisemitismus-Definition der "International Holocaust Remembrance Alliance" übernommen habe und eine Bildungskampagne gegen Judenhass erarbeite. Auch von den jüngsten antisemitischen Tweets von Greta Thunberg distanzierte sich der deutsche Ableger der Klimabewegung deutlich und umgehend. Doch der Schaden sei jetzt schon unübersehbar, warnt Mitherausgeber Nicholas Potter: „Da sehe ich das Problem, dass antisemitische Positionen normalisiert werden. In manchen links geprägten Bewegungen gehört es immer mehr zum Grundkonsens, dass, wenn man politisch links sein will, man dann den jüdischen Staat vollkommen ablehnen muss. Das ist gefährlich.“

Lauer, Stefan, und Potte, Nicholas (Hrsg.): Judenhass Underground. Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen und Bewegungen, Hentrich & Hentrich, 252 S., ISBN: 978-3-95565-615-7; 22,00 Euro

Autor:

Online-Redaktion

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