Haben und Sein: Todsünden unter der Lupe
Wenn genug nicht genug ist
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Was treibt die Menschen an, gierig zu sein? Die Journalistin Barbara Streidl beleuchtet dies in ihrem Buch "Gier", das in einer Reihe des Hirzel Verlags erschienen ist, und die sogenannten Todsünden unter die Lupe nimmt.
Von Nina Schmedding
Die Autorin erläutert, wie sehr Gier in unserer Gesellschaft verankert ist und führt vor Augen, wie Habsucht bis heute mit Ausbeutung verbunden ist. Darüber hinaus diskutiert Streidl, wie ein Genug umgesetzt werden könnte.
Dabei spart sie auch die humoristische Betrachtung nicht aus. So erfährt der Leser etwa unter der Rubrik "Berühmte Maßlosigkeit", dass Elvis Presleys Lieblingsspeise aus einem ausgehöhlten Laib Sauerteigbrot bestand, ausgestrichen mit Margarine, in dem ein ganzes Glas Erdnussbutter, ein ganzes Glas Traubengelee und ein Pfund Bacon verteilt wurden.
Dem Wohlstand der einen steht der Übelstand der anderen gegenüber, schrieb der britische Sozialkritiker John Ruskin im 19. Jahrhundert über die Industrialisierung. Dass "wealth" auch "illth" hervorbringt, gilt bis heute: "Da gibt es auf der einen Seite, im globalen Norden, Privilegierte. Sie verstecken keine Menschen in ihren Kellern, die tagein, tagaus mechanische Webstühle bedienen müssen. Sie haben das System der Ausbeutung von Nicht-Privilegierten durch Privilegierte auch nicht selbst veranlasst. Aber sie halten es am Leben – weil sie es gerne nutzen", so Streidl – sei es mit billig produzierter Kleidung, einem Kilo Hackfleisch für zwei Euro oder einem schnell gebuchten Flug ins Warme.
Doch woran liegt es, dass Menschen immer mehr wollen? Gier, so eine These, entsteht vor allem im Vergleich mit anderen. Diese soziale Komponente der Gier streicht nach Streidl auch der Psychoanalytiker und Theologe Eugen Drewermann heraus: Dass man im Vergleich schlechter dasteht als andere, führe zu einem Gefühl von "Das steht mir zu, sonst ist’s ungerecht, unausgeglichen, gar gemein", so Drewermann.
Dass es auch anders geht, zeigt Streidl am Beispiel des Franziskanerpaters Johannes Freyer, dessen Gehalt als Professor für Systemische Theologie der Franziskanerorden erhält. Dies störe ihn wenig, es sei der Gedanke der Brüderlichkeit, des Teilens, der ihm gefalle. Wirtschaft sei nichts anderes als eine säkulare Religion, so Freyer: Der Fortschritt durch Erlösung werde abgelöst vom materiellen Fortschritt, das heimelige eigene Haus werde zum Paradies, das Geld zum Sakrament des Marktes.
Streidl plädiert zum Schluss dafür, einem Maß zu folgen, das sozial und ökologisch achtsam ist. Dazu beitragen könne etwa das Commons-Prinzip, demzufolge Güter nicht nur einer Person gehören, sondern einer Gemeinschaft. Schließlich lasse der angesichts der Bevölkerungsentwicklung schrumpfende Platz auf dem Planeten die Hoffnung keimen, dass nachfolgende Generationen ein Genug empfinden möchten und danach suchen, so die Autorin.
(kna)
Streidl, Barbara: Gier. Wenn genug nicht genug ist. Hirzel Verlag, ISBN 978-3-7776-2966-7; 17,00 Euro
Autor:Online-Redaktion |
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